An mein Hühnervolk
Anekdotisches über Willy Jehmlich und Oberlehrer Schaller
Die "Leipziger Zeitung und Handelsblatt für Sachsen" veröffentlichte am 31. Januar 1921 unter der Überschrift "Heiteres in ernster Zeit" eine Begebenheit, die ganz Döbeln zum Schmunzeln brachte. Zwischen zwei Döbelner Bürgern, einem Hauswirt, es war Fabrikant Willy Jehmlich, und seinem Mieter, dem Oberlehrer Schaller, war es zu Differenzen gekommen. Schaller, als passionierter Klavierspieler, hatte öfters die Ruhestunde seines Hauswirtes gestört. Dieser wiederum hatte mit seinen Legehühnern für Unmut bei seinem Mieter gesorgt, da diese in seinen Garten eingedrungen waren. In seinem Unwillen wandte sich der Lehrer am Realgymnasium mit folgendem Schreiben an seinen Hauswirt:
"Herrn Jehmlich, hier.
Ich ersuche Sie, die von Ihren Hühnern angerichtete Verunreinigung des Haustürensteins beseitigen zu lassen, da der Hauseingang bekanntlich nicht als Aufenthaltsort für Hühner vorgesehen ist. Auch bitte ich dringend, Ihren Hühnern den Aufenthalt in unserem Garten zu verbieten, damit ich nicht Zwangsmaßnahmen ergreifen muss.
Oberlehrer Schaller."
Dieser Aufforderung kam der Briefempfänger umgehend nach. Er ließ am Gartenzaune, der den Hühnern als Einfallstor in den nachbarlichen Garten diente, Plakate anbringen, die das Schreiben des Mieters nebst folgender Verwarnung enthielten:
"An mein Hühnervolk! Im Anschluss an obiges Schreiben verbiete ich Euch hiermit den Zutritt zu Schallers Garten, damit Herr Schaller nicht gezwungen ist gegen Euch Zwangsmaßnahmen zu ergreifen.
Jehmlich."
Dieser Anschlag am Gartenzaune erregte unter den Vorübergehenden an der damaligen Chemnitzer Straße (heute Eichbergstraße) große Heiterkeit und bildete das Stadtgespräch unter der Döbelner Bürgerschaft. Der Mieter fühlte sich wiederum in seiner Ehre gekränkt, zumal ein Schüler diesen heiteren Vorfall im Gymnasium zum Besten gab. Der Mieter klagte vor dem Gericht und bekam sogar Recht. Dem Hauseigentümer legte das Gericht 30 Mark Strafe auf, die er fröhlichen Herzens bezahlte.
Die Zeitung mahnte, dass man bei der Abfassung von Briefen doch größte Aufmerksamkeit anwenden solle.