Verschwundenen Denkmäler

Entdeckungen im tausendjährigen Döbeln

Monarchie, Republik, Diktatur: Im 20. Jahrhundert wechselten die Staatsformen in Deutschland in schnellem Takt – mit ihnen die Denkmäler.

Mit Denkmälern ist es oft kompliziert. Man errichtet sie meist in euphorischer Stimmung für berühmte Zeitgenossen oder um Verstorbener zu gedenken. Dahinter steht oft eine Ideologie oder eine politische Grundhaltung. Menschen investieren viel Herzblut, halten begeisternde Reden, sammeln Geld und weihen das Denkmal mit Pomp ein. Es soll die Sterblichkeit des Einzelnen und der Generationen überwinden. Das Denkmal ist für die Ewigkeit gedacht und soll auch in 100 Jahren noch vom Kampf und den Überzeugungen der Vorfahren berichten. Es verbindet sich damit die Hoffnung, dass die Nachkommen dem Weg der Väter und Mütter folgen und ihn in ihrem Sinne fortsetzen. Das geschieht jedoch selten.

Dieser Text erzählt die Geschichte der Döbelner Denkmäler, die verschwunden sind, weil der Geist ihrer Errichter irgendwann nicht mehr dem Zeitgeist entsprach oder ihm sogar widersprach. Die Geschichte der verschwundenen Döbelner Denkmäler ist auch eine Geschichte der politischen Systeme, die sich im 20. Jahrhundert in Deutschland schnell ablösten. Auf die Kaiserzeit folgte 1918/19 die Weimarer Republik, 1933 die Diktatur der Nationalsozialisten. Der Zweite Weltkrieg endete 1945 mit der Auflösung der staatlichen Souveränität Deutschlands. Döbeln lag in der Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 in der DDR. Deren Existenz endete 1989 durch die Friedliche Revolution. 1990 folgte die Wiedervereinigung Deutschlands. Egal ob Monarchie, Republik oder Diktatur – immer wieder versuchten Menschen, ihre Ideen, Ideale und Helden durch Denkmäler zu verewigen. Denkmäler sollen Identität stiften. Dies führt oft dazu, dass man die Denkmäler der Vorgänger verfallen lässt oder demontiert.

Das Bormann-Denkmal stand, eingerahmt von vier Eichen, rechts neben der Turnhalle im Bärental. (Quelle Sammlung Stadtarchiv Döbeln)

Bormann-Denkmal im Bärental

Der Gedenkstein für Adolph Bormann ist das älteste der mittlerweile verschollenen Denkmäler Döbelns. Es stand im Bärental neben der Turnhalle. Wer aber war Adolph Bormann? Kurz gesagt: Was Turnvater Friedrich Ludwig Jahn für Deutschland war, war Adolph Bormann für Döbeln. Mitte des 19. Jahrhunderts erfreute sich Turnen als Volkssport großer Beliebtheit. In Döbeln wollte man diesen Sport fördern und stellte am 8. Februar 1847 den Turnlehrer Adolph Bormann aus Penig ein. 29 Jahre lang unterrichtete er in Döbeln und machte das Turnen bei Tausenden Kindern und Jugendlichen populär. Bormanns Leben drehte sich ums Turnen, vormittags in der Bürgerschule, nachmittags im Verein. Auf seine Initiative hin wurde der Platz hinter der Bachschänke (Gaststätte an der Ecke Waldheimer Straße / Bärentalstraße) zu einem Turnplatz umgestaltet. Man kann heute davon ausgehen, dass die Förderung des Turnens in dieser Zeit in Döbeln auch ein politisches Statement war. Die Leibesertüchtigung durch das Turnen sollte die Wehrhaftigkeit des Volkes erhöhen.

Gruppenfoto der Döbelner Turnerriege "Einigkeit" vor dem Bormann-Denkmal (1906)
Zwei verbliebene Eichen markieren den Standort des Bormann-Denkmals neben der Turnhalle im Bärental.

Das deutsche Bürgertum sah die Franzosen, die Deutschland in der Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft unterjocht hatten, und die eigenen Fürsten, die die Freiheit und Einheit des deutschen Volkes verhindern wollten, als Feinde. Dass es also im Dreikaiserjahr 1888 aus dem Döbelner Bürgertum heraus eine Initiative gab, den Döbelner Turnvater Adolph Bormann mit einem Denkmal zu ehren, ist nicht nur als Verbeugung vor einem verdienstvollen Lehrer zu verstehen.

Der Gedenkstein für Bormann war ein etwa 2 Meter hoher Obelisk aus Granit und Syenit, der ein in Bronze gegossenes Medaillonporträt Bormanns trug. Er war mit einer schmiedeeisernen Einfassung abgegrenzt. Die Kosten für das Denkmal beliefen sich auf 1000 Mark und wurden durch Spenden aufgebracht. Im 6. Band des „Döbelner Heimatschatzes“ schreibt Carl Clemens Schwender: „Die Freunde und ehemaligen Schüler Bormanns haben sich selbst mit der Errichtung des Denksteins ein schönes Zeugnis ausgestellt.“ (1)

Das Denkmal für Bormann wurde am 27. Oktober 1889 eingeweiht und am 6. Juli 1942 entfernt. Geblieben sind zwei der vier Eichen, die das Denkmal einfassten.

Kriegerdenkmal auf dem Schloßberg

Die Geschichte des Kriegerdenkmals, das an die Opfer des für Deutschland siegreichen Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 erinnern sollte, bleibt ungewiss. Am 7. Juni 1871 beschloss das Stadtverordnetenkollegium, vor der neuen Bürgerschule auf dem Schloßberg einen Obelisken mit den Namen der 18 im Krieg gefallenen Döbelner zu errichten. Die Stadt sollte die Kosten tragen und das Denkmal mit einer Baumpflanzung umgeben. Später versuchte man, die Stadtkasse durch eine öffentliche Sammlung zu entlasten. Das Ergebnis war mit 173 Talern, 3 Groschen und 5 Pfennigen enttäuschend. Vor allem Kleinstspenden gingen ein, während wohlhabende Bürger dem Aufruf von Bürgermeister Thiele nicht folgten. Auch eine Verlosung, die der Arzt Dr. Weidner organisierte, brachte mit 30 Talern, 1 Groschen und 1 Pfennig nicht den erhofften Erfolg. Es war klar, dass das Denkmal bescheiden ausfallen würde.

Die Stadt bat die Döbelner Bildhauer Engelhardt und Schulze, Zeichnungen und Kostenvoranschläge einzureichen. Am 14. März 1872 erhielt Schulze den Auftrag, das Denkmal für 170 Taler zu liefern. Aufgrund des begrenzten Budgets entschied man sich für einen schlichten Obelisken aus dunklem Stein mit hellen Schriftplatten. Auf diesem standen die Namen von 17 der 18 gefallenen Döbelner. Die Familie von Ernst Lange verweigerte die Zustimmung zur Nennung seines Namens. Der Grund dafür ist unbekannt. Vielleicht war ihnen das nationalistische Pathos zuwider, mit dem man den „Heldentod“ der jungen Männer fürs Vaterland bejubelte.

(1) Das Kriegerdenkmal an seinem ersten Standort, dem Schulhof der Schloßbergschule.
(2) In einer Grünanlage an der Staupitzstraße, sollte das Denkmal besser zur Geltung kommen.
(3) Sein letzter Standort war in der Parkanlage an der Wappenhenschstraße.
(Postkarten/Foto: Sammlung Ettrich)

„Über die Weihe des Denkmals wird berichtet, dass sie eine ehrende Feierlichkeit war, von freundlichem Wetter begünstigt und durch die Teilnahme eines überaus zahlreichen Publikums ausgezeichnet. Sonntag, den 16. Juni 1872, vormittags 11 Uhr versammelten sich vor der Schloßbergschule die Oberklassen der hiesigen Schulen mit ihren Lehrern. Das Geläut aller Glocken begrüßte den Zug, an dessen Spitze die Geistlichkeit trat. Die geladenen Gäste und Vereine folgten, und auf dem südöstlichen Teil des Schloßberges, wo das neue Kriegerdenkmal errichtet war, wurde um dieses herum Aufstellung genommen. Nach 15 Minuten schwiegen die Glocken und ‚Ein feste Burg ist unser Gott‘ erbrauste es nun über dem Muldental dahin. Herr Pastor Krebs hielt die Weiherede: Schülerinnen legten Kränze am Denkmal nieder; der Gesangverein Arion stimmte das ‚Siegeslied‘ von Jul. Sturm an, und nachdem dies verklungen war, hielt Herr Bürgermeister Thiele eine Ansprache an die Festversammlung. Dann wurde noch die ‚Wacht am Rhein‘ gesungen, und unter dem Geläut der Glocken verließ man den Platz der erhebenden Feier.“ (2)

Das Kriegerdenkmal stand eine Weile auf dem Schloßbergplateau. Der Schulhof wurde jedoch durch das Denkmal eingeschränkt, und die Lage war abseits. Man wünschte sich einen neuen Standort, der das Gedenken an die Gefallenen stärker ins Bewusstsein der Döbelner rücken sollte und so „noch vielen, vielen kommenden Geschlechtern Kunde [geben sollte] von dem Freiheitswillen ihrer Vorfahren“. (3) Ob im Deutsch-Französischen Krieg die Freiheit der Deutschen verteidigt wurde, darf natürlich genauso bezweifelt werden, wie die Einschätzung, dass ein Krieg mit 44.781 Gefallenen allein auf deutscher Seite als „Deutschlands größte Zeit“ in die Annalen eingehen sollte.

Am 26. Juni 1928 beschloss der Stadtrat, das Denkmal in eine Grünfläche an der Staupitzstraße zu versetzen. 1954, nach dem Bau der Berufsschule in der Nähe, musste es erneut weichen. In der Parkanlage an der Wappenhenschstraße war die Gefahr, dass Berufsschüler mit dem Geist des Militarismus in Kontakt kamen, geringer. 1976 kam dann der endgültige Exitus. Es wird erzählt, dass der steinerne Koloss an Ort und Stelle vergraben wurde, weil der Aufwand, ihn fortzubringen, zu groß gewesen wäre.

Das Bismarck-Denkmal prägte viele Jahre den Obermarkt. (Postkarte: Sammlung Ettrich)

Bismarck-Denkmal auf dem Obermarkt

Ein weiteres verschwundenes Denkmal in Döbeln hing eng mit dem Kriegerdenkmal zusammen. Otto von Bismarck wurde erster Reichskanzler, weil man nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Reich gründete. Auch in Döbeln wollte man dem „Strippenzieher“ des Krieges und der Reichsgründung ein Denkmal setzen, und zwar zentral auf dem Obermarkt. Die Idee stammte aus der Döbelner Bürgerschaft, konkret vom Städtischen Verein und dem Verschönerungsverein. Unter dem Vorsitz von Rechtsanwalt Adler bildeten sie einen Ausschuss, der Druck machte. Ein praktischer Grund trieb sie an: In einer Sitzung am 14. März 1903 hieß es, ein Legat von Fräulein Amalie Bertha Semmig für ein Bismarck-Denkmal verfalle, wenn man es nicht bald errichte.

Die Stadt beauftragte Künstler, Entwürfe einzureichen, die am 9. Juni 1903 in der Schule am Lutherplatz ausgestellt wurden. Bis Mai 1905 beriet man, tagte in Gremien, überschlug die Kosten und entschied schließlich, den Bildhauer Eduard Albrecht aus Berlin-Steglitz mit der Ausführung zu betrauen. Die Steinmassen lieferte die Firma Wilhelm Jürgens, Vertreter der Ackermann-Granitwerke Berlin. Am 5. Juli 1905 wurde das Denkmal auf dem Obermarkt enthüllt. Es kostete 4000 Mark. Doch nach 1945 riss man es ab. Es gab nun neue Helden. Der konservative Bismarck, ein Mann des Ausgleichs, dem die Deutschen noch heute für sein System der paritätischen Sozialversicherung dankbar sein können, verschwand aus dem Stadtbild Döbelns.

Ab 1950 stand am ehemaligen Standort des Bismarck-Denkmals das VVN-Denkmal, das 1969 auf den Wettinplatz versetzt wurde. Danach wurde hier ein Schnellimbiss errichtet. Heute wird der Bereich als Biergarten genutzt. (Postkarte: Sammlung Ettrich)
Mit über 6 Metern Höhe prägte das König-Georg-Denkmal das Rondell des Niedermarktes.

König-Georg-Denkmal auf dem Niedermarkt

Ähnlich erging es dem Denkmal für König Georg auf dem Niedermarkt. Das lebensgroße Reiterstandbild des sächsischen Königs war eine Initiative von Bezirkskommandeur Oberstleutnant Göhler, Bürgermeister Müller und Kommerzienrat Tümmler. 1911 erbaut, war es eines der ersten König-Georg-Denkmäler in Sachsen, entworfen vom Dresdner Bildhauer Fred Völkerling (1872-1945). Das 3,60 Meter hohe Standbild platzierte er auf einem 2,65 Meter hohen Unterbau aus bayrischem Muschelkalk. Auf der Vorderseite prangten die königlich-sächsische Krone und die Inschrift „Georg“. Das Denkmal dominierte das Rondell des Niedermarkts. Völkling, der in Dresden studiert und in Paris gearbeitet hatte, war als Künstler erste Wahl. Seine Denkmäler, Porträtbüsten und Tierplastiken sind berühmt. Das Döbelner Reiterstandbild Georgs gilt als eines seiner Hauptwerke.

Stellt sich die Frage: Warum ein Denkmal für König Georg? Seine Regentschaft dauerte schließlich nur zwei Jahre. Schon hochbetagt, im Alter von knapp 70 Jahren, folgte er seinem Bruder Albert auf den Thron Sachsens. In der Bevölkerung war er unpopulär. Die Sachsen hätten sich gewünscht, dass er zugunsten seines 46-jährigen Sohnes Friedrich August verzichtet. Georg starb nach nur zwei Jahren Regentschaft an einer Influenza. Große Ereignisse blieben aus. Nur einmal zeigte er Flagge: beim Textilarbeiterstreik in Crimmitzschau auf Seiten der Arbeitgeber. Seine Beliebtheit steigerte das nicht. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Döbelner Unternehmer den Großteil der 25.000 bis 28.000 Mark für das Denkmal aufbrachten. Setzte man Georg ein Denkmal, weil er im „roten Sachsen“ gegen Streiks und Unruhen auftrat?

Oder war es seine ruhmreiche Militärkarriere, die ihn denkmalwürdig machte? Als Prinz nahm Georg am Deutschen Krieg 1866 teil, im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 kommandierte er am Ende das I. Königlich Sächsische Armee-Korps. Georg vertrat Sachsen bei der Ausrufung Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser 1871 in Versailles. 1888 wurde er als zweiter Sachse Generalfeldmarschall der Preußischen Armee – ein Ritterschlag für jeden Offizier. Ein dritter Grund wäre auch denkbar: Georg war von 1855 bis zu seiner Thronbesteigung Vorsitzender des Sächsischen Altertumsvereins, der sich um Denkmalpflege verdient machte. War das Denkmal also ein Denkmal für den Denkmalpfleger? Oder errichtete man es, weil es 1911 in Sachsen noch keine großen Denkmäler für König Georg gab? Sollte das Reiterstandbild Döbeln ein Alleinstellungsmerkmal verleihen? Oder schätzte man Georg, weil er als Prinz mehrfach die Muldestadt besuchte?

(1) Zur Einweihung des Denkmals am 5. September 1911 kam König Friedrich August III. nach Döbeln.
(2) Die Aufstellung des Reiterstandbildes war auch der Versuch, den Niedermarkt in Döbeln aufzuwerten.
(3) Als der Niedermarkt Thälmann-Platz hieß, wollte am ehemaligen Standort des Georg-Denkmals politische Botschaften "unters Volk" bringen.
(Postkarten/Foto: Sammlung Ettrich)

Wahrscheinlich war es eine Mischung aus Gründen, die Georg für einige Zeit auf den Niedermarkt brachte. Das Denkmal wurde am 5. September 1911 in Anwesenheit König Friedrich Augusts III. eingeweiht. Vielleicht hatten sich die Verantwortlichen gerade das erhofft. Der Sohn Georgs ließ es sich nicht nehmen, der Einweihung beizuwohnen. Die Tochter von Bürgermeister Müller überreichte dem Monarchen einen Blumenstrauß und erhielt ein kleines Präsent. Königlicher Besuch in der Kleinstadt – eine seltene Gelegenheit, den Regenten live zu sehen. Großes Kino in Döbeln.

Nur 31 Jahre stand Georg auf dem Niedermarkt. 1940 beschloss der Stadtrat, das Denkmal abzubauen und als Metallspende der Kriegswirtschaft zuzuführen. Kunst wurde vernichtet, um den Krieg zu stützen. Das Standbild des königlichen Generalfeldmarschalls wurde zum Kanonenrohr – ein tragischer Abgang. Auch später galt der belebte Niedermarkt, nach 1945 in Ernst-Thälmann-Platz umbenannt, als geeigneter Ort für politische Botschaften. Wahrscheinlich in den 1960er Jahren prangte hier ein Globus auf einem Sockel, eingerahmt von sowjetischer und vietnamesischer Flagge. Gefeiert wurde der proletarische Internationalismus. König Georg hätte sich mit Grausen abgewendet.

Kriegerdenkmal am Geyersberg

Könige und Kanzler erhalten Denkmäler. Oft geht es aber auch um die Erinnerung an die in Kriegen Gefallenen. Die Meinungen über die Berechtigung dieser Denkmäler gehen auseinander. Einerseits spielen sie eine wichtige Rolle bei der Trauerbewältigung. Jedes Jahr legen Menschen Blumen und Kränze nieder. Hinterbliebene und Repräsentanten der Bürgerschaft besuchen diese Orte, um der Gefallenen zu gedenken. Andererseits wurden diese Denkmäler auch genutzt, um den Heldentod fürs Vaterland zu feiern, gegen ehemalige Kriegsgegner zu hetzen und Jugendliche im Geist des Nationalismus und Militarismus zu beeinflussen.

Um diese Kritik zu verstehen, lohnt es sich, in den Gedichten von Erich Kästner zu blättern. Kästners Eltern lebten viele Jahre in Döbeln. Hier die letzten drei Strophen seines Gedichts „Primaner in Uniform“:

[…]
Der Rektor dankte Gott pro Sieg.
Die Lehrer trieben Latein.
Wir hatten Angst vor diesem Krieg.
Und dann zog man uns ein.

Wir hatten Angst. Und hofften gar,
es spräche einer Halt!
Wir waren damals achtzehn Jahr,
und das ist nicht sehr alt.

Wir dachten an Rochlitz, Braun und Kern.
Der Rektor wünschte uns Glück.
Und blieb mit Gott und den andern Herrn
gefaßt in der Heimat zurück.

Stadtansicht Döbelns mit dem Kriegerdenkmal auf dem Geyersberg rechts im Vordergrund

In Döbeln gibt es noch weitere Denkmäler, die an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnern. Vor dem Hauptportal des Lessing-Gymnasiums steht ein Denkmal für gefallene Schüler und Lehrer. Auf dem Niederfriedhof erinnert ein Denkmal an Felix Gleisberg und auf dem Gelände der Bärentalturnhalle, leider sehr verfallen, an die gefallenen Turner Döbelns. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es noch mehr Denkmäler zum Gedenken an die Toten des Kriegs. Sie wurden später entfernt, weil man befürchtete, dass sie nicht zuerst mit der Trauer um die Getöteten verbunden werden, sondern mit Hass auf den Feind und mit einem übersteigerten Nationalismus, der den Krieg verherrlicht. Den Denkmälern wurde unterstellt, sie seien Objekte der Volksverhetzung. Es fällt uns Menschen schwer, mit Denkmälern zu leben, die tatsächlich oder vermeintlich unserem Zeitgeist nicht oder nicht mehr entsprechen. Musste das monumentale Kriegerdenkmal am Geyersberg weichen, weil die Ludendorff-Inschrift „Die Toten führen zum Aufstieg“ den Heldentod fürs Vaterland verherrlicht?

Die in Stein gehauenen Ludendorff-Worte: „Die Toten führen zum Aufstieg“ waren das Hauptargument für den späteren Abriss des Denkmals.

Döbeln beherbergte als Garnisonsstadt von 1887 bis 1918 das 11. Königlich-Sächsische Infanterieregiment Nr. 139. Viele der 139er, darunter auch zahlreiche Döbelner, fielen im Ersten Weltkrieg bei Kämpfen in Nordfrankreich und Flandern. General Einert, Oberst und Regimentskommandeur in Döbeln, lud für den 19. März 1921 zu einer Sitzung ein, bei der über ein „würdiges Denkmal“ beraten werden sollte. Die Teilnehmer machten deutlich, dass es einen breiten Konsens über den Bau eines Kriegerdenkmals in Döbeln gab. Es „erschienen Herr Bürgermeister Müller für die Stadt und den Verein Heimatdank, Herr Oberst von Süßmilch für das Inf.-Regt. 139, Herr Major Boltze für die Garnison, Herr Pfarrer Keller für die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde, Herr Reg.-Rat Grunewald für die Amtshauptmannschaft, Herr Stadtbaurat Richter, Herr Joh. Johnsen, Herr Bildhauer O. Rost, Herr Stadtrat Busch, Herr Dr. Hesse für den Bürgerbund, Herr Dr. Frankenstein für Handwerk und Gewerbe, Herr E. Sturm für den Arbeitgeberverband, Herr Röher für den Beamtenbund, Herr Bruse für den Mieterverein und Abordnungen von der Offiziersvereinigung 139, vom Militärverein Döbeln, und der Vereinigung Kriegsbeschädigter“. (5)

Bald wählte man das Gelände oberhalb des Steinbruchs am Geyersberg als Standort für das Denkmal. Die Finanzierung war schwierig, was sicher auch an der stolzen Summe von 967.300 Mark lag, die das vom Döbelner Bildhauer Otto Rost gestaltete Denkmal letztlich kosten sollte.

Auf einem Sarkophag als Unterbau bildete ein Obelisk aus Porphyrblöcken den Mittelpunkt der Anlage. In diesen eingehauen war die Kolossalgestalt eines deutschen Soldaten mit leicht gesenktem Kopf, Mantel und Stahlhelm, während er die Hände auf den Lauf eines Gewehres gestützt hatte. Modell stand dafür Unteroffizier Dietze, Sohn eines Döbelner Gärtnereibesitzers. An beiden Seiten war jeweils eine Frau zu sehen. Auf der einen Seite eine trauernde Frau, welche stellvertretend für das trauernde Volk stand, und auf der anderen Seite eine Frau mit einem Kleinkind, welche Hoffnung auf die Zukunft verkörpern sollte.

Spendenmedaille zur Denkmalsweihe 1922 (Vorderseite) - Gefertigt wurde das Stück in braunem Böttgersteinzeug mit Golddekor. Spendenmedaille zur Denkmalsweihe 1922 (Rückseite) - Hersteller ist die Porzellanmanufaktur Meissen.

Auf einer vorgelagerten Steinplatte war die Widmung „Den gefallenen Helden des Inf.-Regts. und der Stadt in einmütiger Dankbarkeit. 1914-1918“ zu lesen. Imposanter erschienen jedoch die in Stein gehauenen Ludendorff-Worte „Die Toten führen zum Aufstieg“. Das monumentale Denkmal wurde am 24. September 1922 eingeweiht und prägte seitdem die der Stadt zugewandte Seite des Döbelner Geyersbergs.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Denkmal in Vergessenheit, die Anlage verwilderte. In der Nachkriegszeit hatten die Menschen andere Sorgen. Bald zeigte sich, dass die DDR das Denkmal als Belastung empfand. Es erinnerte die neuen Machthaber zu sehr an den deutschen Militarismus, der für zwei Weltkriege verantwortlich gemacht wurde, die von Deutschland ausgingen.

Ende der 1960er-Jahre startete die „Leipziger Volkszeitung“ eine Kampagne gegen das Denkmal. Bürger forderten angeblich den Abriss. Die Sockelaufschrift von General Erich Ludendorff „Die Toten führen zum Aufstieg“ verhöhne die Opfer aller Kriege. Ende 1970 rissen Soldaten der NVA das Kriegerdenkmal ab. Die steinernen Überreste landeten an einer Mauer nahe dem Krematorium. Otto Rost erlebte dieses unrühmliche Ende seines größten Denkmals nicht mehr. Er starb am 25. Juni 1970 in Döbeln.

Denkmal für die gefallenen Unteroffiziere des in Döbeln kasernierten 11. Königlich Sächsischen Infanterie-Regiments Nr. 139 auf dem Wettinplatz

Denkmal der gefallenen Unteroffiziere der 139er

Auch das Denkmal für die gefallenen Unteroffiziere des 11. Königlich Sächsischen Infanterie-Regiments Nr. 139, 1920 auf dem Wettinplatz eingeweiht, überdauerte nicht. Die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages trafen auch das Döbelner Infanterieregiment. Mit dem Auflösungsbefehl stand fest, dass die verbliebenen Unteroffiziere bald auseinandergehen würden. Ihr Verein verwaltete noch finanzielle Mittel, die man nun verwenden wollte. Die Idee, ein Denkmal für die gefallenen Kameraden zu errichten, fand schnell Zuspruch. Die Döbelner Bildhauer Dittrich und Hahn fertigten den Denkstein nach einem Entwurf des Regierungsbaumeisters Wapler aus Rochlitzer Porphyr.

Der Hauptblock ruhte auf zwei Stufen, der obere Teil zeigte einen auf einem Eichenkranz ruhenden Stahlhelm. An den Seiten standen die Namen der 73 gefallenen Unteroffiziere des Regiments. Auf der Vorderseite war zu lesen: „Getreu der Pflicht sind sie für Deutschland in den Tod gegangen. Als Helden leben sie weiter. “ Diese Inschrift erinnert an ein historisches Vorbild: die Schlacht bei den Thermopylen im Spätsommer 480 v. Chr. Die Thermopylen, ein Engpass zwischen Kallidromos-Gebirge und dem Golf von Malia, waren strategisch bedeutend. 480 v. Chr. stand ein großes persisches Heer unter König Xerxes I. vor diesem Durchgang. Spartanische Krieger unter König Leonidas hielten das Perserheer so lange auf, dass sich die griechische Armee geordnet zurückziehen konnte.

An diesem Ort steht ein Denkmal, oft als „Grab des Leonidas“ bezeichnet. Es trug der Überlieferung nach ein Distichon des Simonides von Keos, das Friedrich Schiller in seinem Gedicht „Der Spaziergang“ (1795) so wiedergab:

„Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest
uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.“

Das Opfer der Spartaner gilt seit Jahrhunderten als Beispiel für soldatischen Heldenmut und wurde zum Topos. Die Übertragung auf den Ersten Weltkrieg ist schwierig. Fragen drängen sich auf: Verteidigten die Unteroffiziere aus dem Döbelner Regiment in Nordfrankreich wirklich ihr Vaterland? Ist es die Pflicht junger Männer zu sterben, wenn es ihnen befohlen wird? Fühlten sich die Truppen, die im Schlamm von Flandern feststeckten, wirklich als Helden? Ist der Spruch auf dem Denkmal für die Unteroffiziere nicht eher der Versuch, einem sinnlosen Sterben nachträglich einen Sinn zu geben? Verschleiert hier Pathos konkretes politisches Versagen? Fragen über Fragen – die Antworten liegen nahe.

Das Denkmal für die gefallenen Unteroffiziere des 11. Königlich Sächsischen Infanterie-Regiments Nr. 139 wurde am 28. August 1920 eingeweiht. Das Datum ist kein Zufall – es war der 6. Jahrestag der Schlacht bei Thin-le-Moutier, die die 139er zur „Feuertaufe“ des Regiments im Krieg stilisierten. Das Denkmal wurde Anfang der 1960er Jahre entfernt. Da hieß der Wettinplatz schon länger Käthe-Kollwitz-Platz. Peter, der Sohn der berühmten deutschen Grafikerin, Malerin und Bildhauerin, fiel 1914 bei der ersten Flandernschlacht – nicht weit entfernt von Thin-le-Moutier.

Lenin überlebensgroß und mit Blick auf die Döbelner Kaserne.

Lenin-Denkmal auf dem Käthe-Kollwitz-Platz (heute Wettinplatz)

Der Zweite Weltkrieg markierte eine Zäsur in der deutschen Geschichte. Die neuen politischen Verhältnisse der Nachkriegszeit veränderten die Gedenkkultur erheblich. 1949 errichtete die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes auf dem Döbelner Obermarkt ein Denkmal. Seit 1974 steht es auf dem Wettinplatz neben einem sowjetischen Denkmal, das an Soldaten und Offiziere der Roten Armee erinnert.

Die östliche Besatzungszone sollte nach sowjetischem Vorbild gestaltet werden. Die 1949 gegründete DDR verstand sich als sozialistischer Staat und orientierte sich stark an der Sowjetunion. Der Obermarkt wurde in Roter Platz umbenannt, die längste Straße im Neubaugebiet Döbeln-Ost II hieß Leninstraße und eine der beiden Polytechnischen Oberschulen des Viertels trug den Namen Lenins. Lenin, der mit der Oktoberrevolution den Zaren stürzte und die Sowjetunion gründete, galt in der DDR als kommunistischer „Superstar“, den die Funktionäre der Bevölkerung nahebringen wollten. Ein Denkmal sollte seine Bedeutung unterstreichen. Am 14. Oktober 1977, zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution und im Rahmen des "Festes der Jugend", wurde eine überlebensgroße Lenin-Figur aus Sandstein auf dem Döbelner Käthe-Kollwitz-Platz (heute Wettinplatz) aufgestellt. Für rund 81.000 DDR-Mark hatten der Bildhauer Hans-Joachim Förster sowie Steinsetzmeister Lothar Franz die Steinfigur erschaffen.

Nach der Wende wurde das Denkmal abgebaut. So innig war das Verhältnis der Döbelner zu Lenin dann doch nicht. Seit 1991 lagert die Figur im Bauhof der Stadt Döbeln.

Die "Stadtmusikanten" vor dem Parkrestaurant des Bürgergartens wurde in den 1990er Jahren gestohlen.

Schade, dass eine kleine Zugabe, die Bildhauer Förster der Stadt Döbeln bei der Übergabe der Lenin-Statue mit vermachte, ebenfalls von der Bildfläche verschwand. Eine Sandsteinfigur der Bremer Stadtmusikanten stand bis 1995 im Bürgergarten. Nach dem Abriss des Parkrestaurants kam die bei Kindern beliebte Figur abhanden.

Karl-Marx-Denkmal auf dem Döbelner Körnerplatz

Neben großen Denkmälern gab es in Döbeln auch kleinere, bescheidenere Gedenkorte aus der DDR-Zeit. Diese bestanden meist aus Natursteinen mit Bronzerelieftafeln und ehrten prominente Kommunisten. Am Döbelner Pionierhaus (ehemalige Tümmler-Villa, heute Musikschule) stand ein Gedenkstein für Ernst Thälmann. Ein weiterer Gedenkstein auf dem Körnerplatz erinnert noch heute an Karl Marx. Damit es sich auch lohnt, hatte man aus dem Körnerplatz den Karl-Marx-Platz gemacht und die dort befindliche Schule als Karl-Marx-Schule ausgewiesen. Wenn schon, denn schon. Diese Gedenksteine sollten prominente Kommunisten im Bewusstsein der Bürger verankern. Fahnenappelle, Mahnwachen und ähnliche Veranstaltungen gehörten zum festen Repertoire der DDR, um besonders die Jugend für den Kommunismus zu begeistern. Der Erfolg dieser Maßnahmen war jedoch begrenzt. Dennoch gehörte es bald schon fast zum guten Ton, dass man als Schule oder staatliche Institution einen solchen Gedenkort einrichtete. Zwei Beispiele sollen im Folgenden näher vorgestellt werden.

Heinrich-Greif- Gedenkstein auf dem Schulhof der Lessing-Schule

Auf dem Schulhof der Lessing-Schule gab es einen Gedenkstein für den ehemaligen Schüler Heinrich Greif. Der wurde 1977 anlässlich der 9. Wissenschaftstage übergeben. Etwas hochtrabend sprachen die Verantwortlichen vom Heinrich-Greif-Ehrenhain. In Wirklichkeit war es lediglich ein unbehauener Stein mit einer eher kleinen Bronzetafel, die das Bild des kommunistischen Schauspielers zeigte.

Heinrich Greif kam 1925 unfreiwillig nach Döbeln. Der talentierte Sohn eines Postbeamten war der beste Schüler des Wettiner Humanistischen Gymnasiums in Dresden. Die revolutionären Nachkriegsereignisse der zwanziger Jahre führten ihn in oppositionelle Kreise. Er wurde Mitherausgeber und Autor der Jugendzeitschrift "Der Mob". Kurz vor dem Abitur verwies man ihn aus disziplinarischen Gründen der Schule und bestrafte ihn mit einer Versetzung nach Döbeln.

Später wurde Greif Schauspieler und trat 1933 der KPD bei. Er musste bald aus Deutschland fliehen und lebte ab 1935 in der Sowjetunion. Dort wirkte er an zehn Filmen mit und wurde Chefsprecher der deutschsprachigen Sendungen beim Moskauer Rundfunk. Während des Krieges hörten Tausende Deutsche, darunter auch seine Mutter in Dresden, heimlich seine Stimme im Radio: „Achtung, Achtung! Hier ist der Moskauer Rundfunk in deutscher Sprache.“

Nach dem Krieg kehrte Greif nach Deutschland zurück. Er arbeitete in Dresden als Stadtrat für Volksbildung und folgte im Juni 1945 einem Ruf des Deutschen Theaters in Berlin.

(1) 1977 wurde der Heinrich-Greif-Ehrenhain auf dem Schulhof der Lessing-EOS eingeweiht.
(2) Regelmäßig wurde der Gedenkstein bei Fahnenappellen auf dem Schulhof eingezogen.
(3) Bronzetafel mit einer Profilansicht Heinrich Greifs auf dem Gedenkstein.
(Fotos: Schulmuseum G.-E.-Lessing-Gymnasium)

Er galt als hoffnungsvolles Talent, starb jedoch bald unter tragischen Umständen. Eine geplante Leistenbruchoperation galt als nicht sonderlich kompliziert. Mit der Berliner Charité hatte er sich für das renommierteste deutsche Krankenhaus und mit Ferdinand Sauerbruch für den bekanntesten Chirurgen des Landes entschieden. Doch die OP ging schief. Beim 71-jährigen Sauerbruch zeigten sich zu diesem Zeitpunkt bereits Symptome einer Zerebralsklerose, einer Durchblutungsstörung im Gehirn. Ihm unterliefen deshalb grobe Fehler bei der Operation. Heinrich Greif wurde 39 Jahre alt.

Friedrich Wolf schrieb in einem Nachruf auf den Freund „Diese Stimme ist der Mensch! ... Und Du stehst plötzlich wieder vor uns, lieber Greif, Du stiller und fester Kamerad, der du hart und weich warst, Verstand und Herz, ja gerade auch Herz, das Du im Leben so schamhaft verbargst.“

Das Greif-Denkmal auf dem Schulhof des Gymnasiums existiert nicht mehr. Aus dem Filmschauspielerlexikon des Henschel-Verlages, das von 1971 bis 1989 in der DDR erschien und nun von einer Hamburger Redaktion betreut wird, ist Greif seit der Neuauflage von 1995 entfernt. Dies erinnert an ein Pendel: Nach einem extremen Ausschlag in die eine Richtung folgt ein ebenso extremer Ausschlag in die andere Richtung. Heinrich Greif hätte es verdient, dass man sich seiner erinnert – auch an der Lessing-Schule in Döbeln. Ob er sich darüber gefreut hätte, ist ungewiss. Für den Dresdner Greif war Döbeln vermutlich wie eine Verbannung nach Sibirien.

Gedenkstein für Paul Rockstroh auf dem Gelände der Döbelner Kaserne. (Foto: Sammlung Ettrich)

Paul-Rockstroh-Gedenkstein auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne

Das Schicksal des Denkmals für Paul Rockstroh, Namensgeber der Döbelner Kaserne zu DDR-Zeiten, ist ein trauriges Kapitel. Rockstroh, 1887 in Böhringen geboren, trat 1905 der SPD bei und leitete später den SPD-Ortsverein Roßwein. Begeistert von Karl Liebknecht, schloss er sich der USPD an. 1920 wählten ihn die Mitglieder der neu gegründeten KPD-Ortsgruppe zum Vorsitzenden und politischen Leiter. Nach dem Reichstagsbrand verhafteten die Nationalsozialisten Rockstroh und 17 weitere Genossen der KPD und SPD. Sie verschleppten ihn in die Konzentrationslager Hainichen und Sachsenburg. 1934 entlassen, blieb er lange arbeitslos, fand aber schließlich Beschäftigung im Roßweiner Achsenwerk. Dort setzte er seine illegale politische Tätigkeit fort, unterstützte Fremdarbeiter und verbreitete Nachrichten von Radio Moskau. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er erneut verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht, wo er am 25. Januar 1945 an den Folgen von Zwangsarbeit und Mangelernährung starb.

Die ehemalige Paul-Rockstroh-Kaserne in Döbeln beherbergt heute den Sächsischen Landesrechnungshof. Im Vorfeld wurde ein großes Mannschaftsgebäude abgerissen. Der Gedenkstein für Rockstroh, der durch eine Bronzetafel ergänzt worden war, ist seitdem verschwunden. Die Polizei sucht Zeugen, die Hinweise darauf geben können, wie der etwa einen Meter hohe und über 100 Kilogramm schwere Sandsteinblock zwischen dem 22. und 29. Januar 2019 aus einer Garage, in der er eingelagert war, entwendet werden konnte.

Neben verschwundenen Denkmälern gibt es in Döbeln auch solche, die in Vergessenheit gerieten. Das Denkmal für die 70 im Ersten Weltkrieg gefallenen Mitglieder des Döbelner Turnvereins neben der Turnhalle im Bärental und der Karl-Marx-Gedenkstein auf dem Körnerplatz fristen ein kümmerliches Dasein.

Ein Denkmal hatte jedoch besonderes Glück: Das Lutherdenkmal neben der Nicolaikirche sollte 1942 wie das König-Georg-Denkmal auf dem Niedermarkt eingeschmolzen werden, um Kriegsgerät herzustellen. Überraschend tauchte es 1959 auf einem Hamburger Schrottplatz wieder auf. Zwei Jahre später, am 1. Advent 1961, kehrte Luther nach Döbeln zurück und wurde wieder auf seinen Sockel gehoben – ein kleines Weihnachtswunder.

Ist es schlimm, dass so viele Denkmäler Döbelns verschwanden? Ja und nein. Sicher wäre es schön, der jungen Generation an historischen Stätten die Vergangenheit zu erklären. Doch die zahlreichen Kriegerdenkmäler, die oft aus einem Geist der Verherrlichung entstanden, würden heute aus der Zeit gefallen wirken.

Nachbildung der Figurengruppe "Badende Mädchen" von Johannes Hartmann am Alten Rathaus Leipzigs.

Kinderfigur aus dem Rathaus

Ein kleines Denkmal, das wirklich fehlt, ist die Kinderfigur aus dem Döbelner Rathaus. Der Bildhauer Johannes Hartmann, ein Freund Max Klingers, schuf sie 1912 als Teil des Figurenschmucks für das neu errichtete Rathaus. Hartmann, der auch das Taubenmädchen für den Schlegelbrunnen auf dem Obermarkt und Grabmäler auf dem Niederfriedhof gestaltete, entwarf die Bronzefigur eines Knaben, der eine Taube umklammert. Sie stand an der ersten Treppe des Rathauses und korrespondierte mit dem Taubenmädchen des Brunnens. Über dreißig Jahre begrüßte sie die Besucher.

In der Nachkriegszeit verschwand die Figur, vermutlich 1949/50 während Renovierungsarbeiten. Damals zog die sowjetische Kommandantur aus dem Rathaus aus und die Stadtverwaltung kehrte zurück. In dem Durcheinander ging die Figur verloren.

Wanted - die Kinderfigur von Johannes Hartmann aus dem Döbelner Rathaus (Foto: Sammlung Stadtarchiv Döbeln)

Ihre handliche Größe machte sie zum leichten Diebesgut. Hartmanns Werke scheinen bei Dieben beliebt zu sein. 1909 schuf er für das Alte Rathaus in Leipzig Figurengruppen für zwei Brunnen. Die „Badenden Mädchen“ wurden 1992 gestohlen. Erst 2000 ersetzte eine Nachbildung von Klaus Schwabe die Bronzeskulptur.

Die Kinderfigur aus dem Döbelner Rathaus wiederzubeschaffen, dürfte aussichtslos sein. Eine Nachbildung des Knaben mit der Taube wäre jedoch machbar – wenn auch teuer. Die Finanzierung könnte eine Aufgabe für die Döbelner Bürgerschaft sein. Die Figur des schützenden Knaben, der die Taube umklammert, wirkt jedenfalls sympathischer als die martialischen Kriegerdenkmäler.

Michael Höhme
"Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.
09.01.2021

Quellen:
Rat der Bezirksstadt Döbeln (Hg.): Deutschlands Städtebau - Döbeln. Deutscher Architektur- und Industrieverlag, Berlin-Halensee 1925 (Abbildung Kinderfigur aus dem Döbener Rathaus auf S.21)
Carl Clemens Schwender: Döbelns Denkmäler. S. 186-196 In: Döbelner Heimatschatz. Sammlung heimatkundlicher Aufsätze des "Döbelner Erzählers". Bd. 6, Döbeln 1927 (Abb. Bormann-Denkmal auf S. 187)
Jürgen Dettmer: Döbelner Denkmäler und Zeitzeugen - ein besonderes Kapitel der Heimatgeschichte.S. 96-107. In: Döbelner Mosaik, Beucha - Markkleeberg 2004
Werner Pfeifer: Döbeln - aus Geschichte und Gegenwart. Leipzig 1981 (Abb. Lenin-Denkmal S. 100)
Erich Kästner: Die Zeit fährt Auto - Lyrische Bilanz. Leipzig 1968 (Auszug aus "Primaner in Uniform" S. 26)


Zitate:
(1) Schwender, Carl Clemens: Döbelner Heimatschatz, Band 6, 1927, S. 189f.
(2) ebd.
(3) a.a.O., S. 190
(4) Kästner, Erich: Die Zeit fährt Auto - Lyrische Bilanz. Leipzig 1968, S. 26)
(5) Schwender, Carl Clemens: Döbelner Heimatschatz, Band 6, 1927, S. 194

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