Post- und Fernmeldewesen

Seit 1897 bot die Post in einem repräsentativen Gebäude nahe dem Obermarkt den Döbelnern Dienstleistungen rund um Postkarte, Brief, Paket und Telefon an. 2024 endete damit eine Ära.

Für das Postwesen Döbelns war das Jahr 2024 ein rabenschwarzes Jahr. Viele Generationen hätten sich nicht vorstellen können, dass die Post eines Tages aus dem eigens für sie errichteten, prächtigen Gebäude im Stadtzentrum auszieht. Ein Mittelzentrum ohne Hauptpost – das ist eine bizarre Vorstellung und ein trostloser Beweis dafür, was passiert, wenn man einst staatliche Aufgaben der allgemeinen Daseinsvorsorge privatisiert und auf Gewinnmaximierung trimmt.

Nur wenige Gebäude in Döbeln wurden mit so viel Liebe zum Detail gestaltet wie die Döbelner Post.

Für Döbeln ging mit der Schließung der Filiale in der Straße des Friedens/Ecke Zwingerstraße eine lange Postgeschichte an diesem Standort zu Ende. Seit 1868 stand hier ein Postgebäude. Die alte Post wurde 1897 durch ein neues, im spätenglisch-gotischen Stil erbautes Kaiserliches Reichspostamt ersetzt. Dem Staat war es damals wichtig, auch in der Fläche präsent zu sein. Die dafür errichteten Bauwerke sollten repräsentativ wirken. Das Postamt wurde zu einem der schönsten Gebäude der Stadt.

Kursächsische Postmeilensäule auf dem Niedermarkt in Waldheim

Die Anfänge der Post in Döbeln

Bereits um 1772 richtete man in Döbeln eine erste Posthalterei ein. Sicher ist, dass im Jahr 1775 eine Postanstalt bestand, die dem Waldheimer Postamt unterstellt war. Döbeln hatte in dieser Zeit jedoch einen großen Nachteil: Die Hauptstraßen zwischen Leipzig und Dresden verliefen nördlich über Grimma-Wermsdorf-Stauchitz und südlich über Nossen-Waldheim-Colditz an Döbeln vorbei. In Waldheim zeugt noch heute eine kursächsische Postmeilensäule davon. Diese Säulen wurden während der Regierungszeit Augusts des Starken und seines Nachfolgers an allen wichtigen Post- und Handelsstraßen sowie in fast allen Städten des Kurfürstentums Sachsen aufgestellt, um die amtlichen Entfernungen anzugeben und so eine einheitliche Berechnung der Postgebühren zu ermöglichen.

Die Anfänge der Post in Döbeln waren bescheiden. Ein Bote ritt von Döbeln nach Waldheim, zweimal wöchentlich verkehrte eine sogenannte Fahrpost über Waldheim nach Chemnitz, einmal wöchentlich eine Anschlussfahrpost nur nach Waldheim. Die Beförderung eines Briefes von Döbeln nach Waldheim kostete einen, ein Paket von fünf Kilogramm sieben Groschen. Anfänglich stand der Postfiliale ein Postverwalter vor, später wurde die Dienststelle aufgewertet. Seit 1797 leitete ein Postmeister die Filiale.

Stück für Stück knüpfte man das postalische Netz enger. Zu den bestehenden Verbindungen kamen eine Botenpost nach Zschöllau (Bahnhof für Oschatz), eine Fahrpost über Meißen und eine über Nossen nach Dresden. Ferner wurden Postverbindungen nach Leisnig und Roßwein – Hainichen eingerichtet.

Postkutsche (Typ Berline mit Coupé, Nachbau von 1939), gezogen von zwei Rheinisch-Deutschen Kaltblütern, in Fürth. (Janericloebe, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)
Die wichtigen Straßen führen nördlich und südlich an Döbeln vorbei - Straßennetz zwischen Leipzig und Dresden um 1700. (Heimatatlas von Dr. Friedrich Prüfer, Döbeln 1932)
Aufschwung durch die Eisenbahn - Döbeln wird ein Verkehrsknotenpunkt

Mit dem Bau der Eisenbahnlinien Chemnitz – Riesa (Eröffnung 1852) und Leipzig – Meißen (Eröffnung 1868) rückte Döbeln aus dem Abseits plötzlich ins Zentrum wichtiger Verkehrswege und wurde ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Dies beflügelte die Entwicklung der Stadt und damit auch den Postverkehr. Durch den industriellen Aufschwung Döbelns um 1900, den florierenden Handel, die Ansiedlung zahlreicher Behörden und der Garnison vervielfachte sich der Postverkehr. Besonders die Handelstätigkeit machte Postverkehr nicht nur innerhalb Sachsens nötig, sondern auch reichsweit und vielfach mit ausländischen Geschäftspartnern. Enge geschäftliche Kontakte bestanden mit den preußischen Provinzen Posen, Schlesien und Brandenburg, etwa für landwirtschaftliche Maschinen, mit Westfalen und dem Rheinland für Produkte der Metallindustrie, sowie mit Bremen, Hamburg, Thüringen und Süddeutschland für Tabak und Maschinen.

Die moderne Telegraphie

Zum klassischen Postgeschäft kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Innovation hinzu. Im Jahr 1868 erhielt Döbeln eine Telegraphenanstalt, die man 1876 mit der Postanstalt vereinigte. Bereits 1874 richtete man als Zweigstelle des Postamts eine Post- und Telegraphenanstalt am Bahnhof ein. Mit der Telegraphie war die Übermittlung codierter Nachrichten über geographische Distanzen möglich, ohne dass physische Objekte zwischen Sende- und Empfangsort bewegt werden mussten. Dies markierte die Geburtsstunde des Telegramms.

Heinrich von Stephan (Ölgemälde von Georg Barlösius 1897, Museumsstiftung Post und Telekommunikation)

Die Post war auf Expansionskurs. 1885 empfing und versendete sie 1.341.000 Briefe und Postkarten, 123.735 Pakete, 79.205 Postanweisungen, 13.505 Telegramme und stellte 272.655 Zeitungen zu. 1913 war der Postverkehr nochmals enorm gewachsen: Es wurden nun 5.849.000 Briefe, 389.713 Pakete, 172.208 Postanweisungen sowie 69.885 Zahlkarten und Zahlungsanweisungen bearbeitet. Außerdem stellten die Postbeamten 583.960 Zeitungen zu, und 32.891 Telegramme wurden versandt.

Zu den genannten Serviceleistungen kam 1892 in Döbeln ein städtischer Fernsprechdienst hinzu, der zunächst 39 Teilnehmer hatte und schnell wuchs. Anfang der 1890er Jahre war klar, dass die personellen Strukturen und das alte Postgebäude dem anschwellenden Geschäftsaufkommen nicht mehr gewachsen waren. 1840 reichten für den gesamten Postdienst ein Postmeister als Vorsteher, ein Postschreiber und zwei Briefträger aus. 1885 bestand das Personal bereits aus dem Vorsteher, acht Beamten und 18 Unterbeamten. 1914 waren zur Bewältigung des Post-, Telegraphen- und Fernsprechdienstes neben einem Postdirektor (seit 1876) 26 männliche und 18 weibliche Beamte sowie 67 Unterbeamte erforderlich.

Vor diesem Hintergrund beschloss man in Berlin, die alte Döbelner Post abzureißen und an gleicher Stelle ein repräsentatives, modernes Postgebäude zu errichten. Eine Kommission des Reichstags genehmigte am 1. Februar 1895 die geplanten Kosten von 194.000 Mark für das Bauprojekt. Döbeln verdankte seine „Vorzeigepost“ dem ersten Generalpostmeister des Deutschen Reichs, Staatssekretär Dr. Heinrich von Stephan, der den Bau von Postämtern im ganzen Land forcierte. Er gilt als Organisator des deutschen Postwesens und als Mitbegründer des Weltpostvereins.

Von Anfang an ein beliebtes Postkartenmotiv - das neue Kaiserliche Postamt Döbelns

Siegelmarke der Kaiserlichen Post

Für die neue, repräsentative Post musste er sich besonders ins Zeug legen. Es gab Streitigkeiten zwischen der Akademie des Bauwesens, die alle großen Staatsbauten zu überprüfen hatte, und dem Bauherrn von Stephan. Doch der Generalpostmeister wusste, wie er sich durchsetzen konnte. Als die Akademie den Neubau in Döbeln blockierte, wandte er sich an den Kaiser. Das Staatsoberhaupt schätzte von Stephans Entscheidungen und die Bauten, die dem Deutschen Reich „kraftvollen Eindruck“ verliehen. Der Kaiser prüfte die Unterlagen, fand sie überzeugend und unterzeichnete am 10. Mai 1896 die Entwurfszeichnung. Damit war der Weg frei: von Stephan setzte sich gegen die Akademie durch, und Döbeln erhielt ein prächtiges Kaiserliches Reichspostamt.

Auf dieser alten Postkarte (vergrößerter Ausschnitt) sieht man gut die Aufschrift "Kaiserliches Postamt" und das Mosaik mit dem Reichsadler unter der Uhr. Im Vordergrund der gelbe Postwagen der Döbelner Pferdebahn.

Bau und Architektur der Hauptpost

Nun konnte es losgehen. Im Rahmen des Baus wurden die alte Fronfeste und die Häuser von Schneider Nestler, Tischler Stecher (Eckhaus), Stellmacher Hermann sowie das alte Postgebäude abgerissen. Die alte Post hatte von 1868 bis 1895 an dieser Stelle gestanden. Die neue Hauptpost wurde am 22. März 1897 eröffnet.

Der neogotische, zweigeschossige Repräsentationsbau verfügte über ein hohes Kellergeschoss mit vorgeblendeten Granulitsteinen in der Technik des „Zyklopenmauerwerks“. Eine zweiläufige Treppe vermittelte den Übergang vom Straßenniveau zu den Geschäftsräumen der Post. Besonders auffällig war ein aufwendig gestalteter Risalit – ein in der ganzen Höhe des Bauwerks vorspringendes Gebäudeteil – mit romanisierenden Fenstern und einer spätgotisch nachempfundenen Tür im hohen Erdgeschoss. In der zweiten, etwas niedrigeren Etage befanden sich Vorhangbogenfenster, deren Fenstergewände aus Buntsandstein gefertigt waren. Die Fensterbogenform erinnerte an die Gestaltung der Meißner Albrechtsburg, wie sie Baumeister Arnold von Westfalen erstmals in Sachsen umgesetzt hatte.

Darüber erhob sich der Frontspieß, ein Vordergiebel, in drei Zonen mit Ecktürmchen auf den Stufen des Giebels und einem schwungvollen Wimperg – einer giebelartigen Bekrönung über dem Hauptportal, die die Rosette einfasste. Unter den Fenstern des Erdgeschosses stand früher in Sandsteintafeln der Schriftzug „Kaiserliches Postamt“, und unter der später angebrachten Hausuhr prangte ein farbiger Reichsadler in venezianischem Glasstiftmosaik.

Die Posthalle war als lichtdurchfluteter Raum konzipiert. Das Licht fiel durch drei dreigliedrig gekuppelte Fenster in den Raum und machte ihn besonders hell. Da die waagerechten Stürze statisch fragil waren, wurden sie durch ebenfalls aus Buntsandstein gefertigte Bögen entlastet. Die in der Deckenhöhe etwas niedrigere Verwaltungsetage erhielt eine stützende Konsole für den Eckerker, der ausschließlich dekorativen Zwecken diente. Auch die Vorhangbogenfenster dieser Etage waren etwas zurückhaltender gestaltet. Die Fensterachsen setzten sich in den großen, zweifenstrigen Gaupen fort, die das Dachgeschoss nutzbar machten.

Auch hofseitig präsentierte sich die Post architektonisch anspruchsvoll. Besonders auffällig war ein Turm mit glockenförmig geschweiftem Dach, der über eine Wendeltreppe zugänglich war. Ein zweiter Blick lohnte sich noch heute: Am Erker zur Zwingerstraße waren die steinernen Köpfe des Baumeisters Schmetting und des ersten Briefträgers zu sehen.

Erker zur Zwingerstraße
Ein Nebengleis der Pferdebahn bog vom Obermarkt in die Königstraße (heute Straße des Friedens) ab. Es endete im Posthof, den man von der Zwingerstraße aus erreicht.

Briefträger, die „Fräuleins vom Amt“ und die Telefonrevolution

An der Bedeutung der Briefträger zeigte sich, dass sie das „Gesicht der Post“ nach außen waren. Man traf sie täglich. Wenn die Liebste einen Brief angekündigt hatte, wurden sie sehnlichst erwartet; stand eine Rechnung oder Mahnung aus, betrachtete man sie mit Argwohn. Auf alle Fälle gehörten sie bald zum Stadtbild dazu. Wie übrigens auch der große Postwagen der Döbelner Pferdebahn. Im Juli 1892 fuhr er das erste Mal vom Hauptbahnhof Richtung Innenstadt. Im September und Oktober 1892 errichtete man ein Anschlussgleis vom Obermarkt über die Königstraße (heute Straße des Friedens) zum Posthof in der Zwingerstraße. Am 26. September 1892 wurde ein Vertrag zur Postbeförderung geschlossen – für die Döbelner Straßenbahn ein wichtiges wirtschaftliches Standbein, bis am 22. Dezember 1926 die Postbeförderung mit dem gelben Straßenbahnwagen, der inzwischen grau geworden war, eingestellt wurde.

Postwagen der Pferdebahn auf dem Posthof.
Anlasspostkarte - Wechsel von der Pferdebahn zu motoristierten Postwagen 1926 (Sammlung Ettrich).

Weniger greifbar, aber genauso wichtig, waren die „Fräuleins vom Amt“. Zum Postbetrieb gehörte auch der handvermittelte Fernsprechverkehr, der 1892 in Döbeln eingeführt wurde. Das Telefon bedeutete einen Quantensprung in der Kommunikationstechnik, und alle, die in Döbeln etwas auf sich hielten, wollten an die Stadtfernsprechanlage angeschlossen werden. Dafür verlegte man eine doppeldrähtige Freileitung zum Postamt. Hier liefen im wahrsten Sinne des Wortes die Drähte zusammen. Die Freileitungen wurden mit Stahlmasten auf den Dächern der Häuser oder auf extra errichteten Telegrafenmasten längs der Straßen geführt. Zwischen Postamt und Hauptbahnhof, dem Nachrichten-Highway Döbelns, hatte man bereits 1893 unterirdisch Telegrafenkabel verlegt. Zahlreiche Telefonleitungen auf den Dächern blieben teilweise noch lange erhalten; noch 1950 konnte man sie an den Häusern der Dresdner Straße entdecken. Für die ankommenden Freileitungen errichtete man an einem Nebengebäude der Post einen kleinen turmartigen Anbau, der auf den ersten Blick wie ein überdimensionierter Taubenschlag wirkte. Leider hat er sich nur auf alten Postkarten erhalten.

(1) Telegrafenmasten in der Waldheimer Straße (2) Stahlmasten auf den Dächern im unterer Teil des Dresdner Berges (3) Stahlmasten an der Einmündung der Oschatzer und der Dresdner Straße in die St.-Georgen-Straße

Auf dieser Postkarte, die eine stilistierte Zeichnung der Post zeigt, sieht man, dass der Anbau von 1929 noch fehlt, der die letzte Baulücke in der Fronstraße schließt und die Nutzfläche der Post großzügig erweitert.
Postkarte mit einer Stadtansicht Döbelns (1917) - vorn links der Turm hinter der Hauptpost bei dem die Fernmeldeleitungen zusammengeführt wurden.
Foto (1920er Jahre) vom Obermarkt Richtung Zwingerstraße (Sammlung Ettrich)

Mit der Fernsprechtechnik entstanden auch neue Berufe. Neben dem Telegraphenarbeiter gab es den Telegraphenassistenten und den Telegraphenleitungsaufseher. Da für den Vermittler des Gesprächs die Möglichkeit bestand, selbiges mitzuhören, legte man bei der Auswahl des Personals besonderen Wert auf einen guten Leumund. Die Vertraulichkeit des Wortes und der gute Ruf der Post sollten gewahrt bleiben.

An das Döbelner Ortsnetz hatten am Eröffnungstag zunächst 39 Teilnehmer Anschluss und zwar: Nr.1 Rathaus, Nr.2 Stadtkrankenhaus, Nr.3 Güterexpedition der Königl. Staatseisenbahn, Nr.4 Mühlenbesitzer am Ende - Greußnig, Nr.5 Otto Busch - Drogenhandlung, Nr.6 Edmund Derpsch - Hotel Stadt Altenburg, Nr.7 Döbelner Bank, Nr.8 Gustav Eichler - Hotel garni, Nr.9 Wanda Fensel - Hotel zur Sonne, Nr.10 Fr. Friedrich - Eisenhandlung, Nr. 11 Oswald Greiner – Dachdeckungsgeschäft, Nr. 12 Eduard Herkner - Rechtsanwalt u. Königl. Notar, Nr. 13 Gustav Höhle – Drogenhandlung, Nr.14 Knab & Lindenhayn - Chemische Fabrik in Grünroda, Nr. 15 Max Knobloch – Metallwarenfabrik, Nr. 16 Georg Meyer – Warenhaus, Nr. 17 Rob., Quaas – Essigspritfabrik, Nr.18 Franz Richter – Maschinenfabrik, Nr.19 Paul Rödel – Brauerei in Großbauchlitz, Nr.20 Carl Rudolph – Kaufhaus, Nr.21 Sächsische Lederindustrie-Gesellschaft, Nr.22 Dr.med. Schiller – Bahnhofstraße, Nr.23 Gustav Schindler – Eisenwarenhandlung, Nr.24 Richard Schlesinger Nachf. - Manufaktur- und Modewarenhandlung, Nr.25 Herm. Otto Schmidt – Seifenfabrik, Nr.26 Oswald Simon - Gärtnerei, Kaufhaus, Nr.27 Louis Sturm – Zigarrenfabrik, Nr.28 Adolph Thallwitz - Buch- und Steindruckerei, Geschäftsstelle des „Döbelner Anzeiger", Nr.29 Paul Trebs – Bankgeschäft, Nr.30 Robert Tümmler – Metallwarenfabrik, Nr.31 Vorschuß- und Diskontoverein, Nr.32 Wapler – Drahtstiftfabrik in Großbauchlitz, Nr.33 Aug. Wilsdorf – Materialwarenhandlung, Nr.34 Oskar Ziegenhirt – Kaufmann, Nr.35 Dr.med. Zieger – Ohrenarzt, Nr.36 Zuckerfabrik Döbeln, Nr.37 Gasanstalt, Nr.38 Döbelner Straßenbahn (Depot), Nr.39 G.R. Pötzschke – Spediteur.

Mit jemandem sprechen zu können, der am anderen Ende der Stadt wohnte, faszinierte die Döbelner. Schon am 13. September 1892 wurden die neuen Möglichkeiten vielfach genutzt. Die Gespräche waren gut verständlich, da die damals neuesten Apparate und Einrichtungen für die Döbelner Anlage verwendet wurden. Mit dem Telefonieren brach ein neues Zeitalter der Kommunikation an.

Übersicht der Döbelner Telefonanschlüsse aus dem Adressbuch 1896

Da das Postamt für das Ortsfernsprechnetz verantwortlich war, befand sich auch die Vermittlungszentrale dort. Sie war in einem besonderen Zimmer untergebracht und wurde anfangs von einem Postbeamten bedient. Die Fernsprecheinrichtung konnte zunächst im Sommer von 7 Uhr, im Winter von 8 Uhr bis jeweils 21 Uhr für den allgemeinen Verkehr genutzt werden.

Der Überlandsprechverkehr wurde später etappenweise eingeführt. Ferngespräche waren anfangs in Döbeln noch nicht möglich. Eine telefonische Verbindung nach Leipzig strebte man jedoch an. Bis Leisnig wurde eine Anschlussleitung errichtet, von wo aus Leipzig bereits erreichbar war. Man kam schneller voran als gedacht: Schon 1895 konnte man von Döbeln aus nach 48 Orten telefonieren, darunter Leisnig, Zwickau, Altenburg und Crimmitschau. 1896 kamen Freiberg und Riesa hinzu. 1898 verfügte das Stadtnetz des Fernsprechverkehrs bereits über 86 Sprechstellen und Anschlüsse mit 130 Einrichtungen sowie – damit auch die breite Bevölkerung die neue Technik nutzen konnte – 43 Orte mit öffentlichen Fernsprechstellen. Bald verfeinerte man die Technik. Die batteriebetriebenen Fernsprechapparate wurden gegen moderne Induktionsapparate ausgetauscht, und ein zweiter Hörer konnte gegen Vergütung hinzugekauft werden.

Originalwählergestell Siemens-System 1927 im ehemaligen Fernsprechamt Döbeln (Stadtmuseum Döbeln)

Durch den wirtschaftlichen Aufschwung Döbelns um 1900 wuchs auch die Zahl der Teilnehmer. 1913 waren es bereits 500, zwischen denen etwa 1.027.800 Gespräche vermittelt wurden. 1923 stieg die Zahl der Teilnehmer auf 780 Anschlüsse, die rund 1.175.761-mal zum Hörer griffen.

Selbstwählfernsprecher und digitale Umstellung

Die Handvermittlung stieß zunehmend an ihre Grenzen. Die Elektrokonzerne Siemens und Mix & Genest in Berlin sowie Lorenz in Stuttgart entwickelten Selbstwählfernsprechgeräte. Siemens war mit seinem System 22 so erfolgreich, dass das weiterentwickelte System 27 1931 in Döbeln installiert wurde. Schon 1929 hatte man bauliche Voraussetzungen geschaffen und zur Unterbringung der Amtseinrichtung für den Selbstanschlussbetrieb der Fernsprechvermittlungsstelle in der Fronstraße einen Anbau an das Postgebäude geplant. Die Lücke zwischen dem Postamt und dem Grundstück Fronstraße 1 nutzte man für den Neubau eines Gebäudes, in dessen Erdgeschoss die Paketannahme und -ausgabe, im Obergeschoss der Fernsprechsaal mit den Fernvermittlungsschränken untergebracht war. Gleichzeitig erhielt das Postgebäude eine Zentralheizung.

Der Anbau von 1929 füllte eine Baulücke zwischen den alten Wohnhäusern der Fronstraße und der Hauptpost. Er ist eher ein Zweckbau und sollte vor allem die Nutzfläche des Postamts vergrößern.
Blick in den Wählsaal des ehemaligen Döbelner Fernmeldemamtes (Stadtmuseum Döbeln)

Das 1931 verbaute Siemens-System diente jahrzehntelang zuverlässig. Bei Inbetriebnahme wurden die Anschlüsse 2000/3000 geschaltet, nach dem Zweiten Weltkrieg durch Erweiterung der Wähltechnik die Anschlüsse 4000. Die Anschlüsse 5000 kamen für Behörden und Industriebetriebe hinzu. Trotz der Erweiterungen war die Zahl der Anschlüsse in der DDR stark limitiert. Ein privater Telefonanschluss glich einem Lottogewinn: 1954 besaß in Döbeln nur jeder 30. Einwohner ein Telefon. Die Post freute sich, dass die alte Siemenstechnik noch funktionierte. „Große Sprünge“ waren mit ihr jedoch nicht möglich. Ab den 1970er Jahren führte man fünfstellige Nummern ein, um weitere Fernsprechteilnehmer anschließen zu können. Die Technik des alten Fernmeldeamtes in der Fronstraße musste bis 1997 durchhalten, der größte Teil wurde dann verschrottet, ein kleiner Teil ins Stadtmuseum überführt.

Auch provisorische Lösungen halfen, etwa der alte Holländerturm, auf dem die Funkdirektion der Post einen Fernsehfüllsender installierte. Erst 1983, mit der Errichtung des Neubaugebietes Döbeln-Nord, wurde hierfür ein eigener Mast an der Leipziger Straße errichtet.

Ein MfS-Mitarbeiter an einer Rufnummernselektierungsanlage (RSA). Die abgebildete Anlage besteht aus 16 Tonbandgeräten und weiterer Technik (Quelle: BStU, MfS, HAIII, Fo, 313, Bild 078)

Als das Fernmeldeamt schrittweise auf digitale Systeme umgestellt wurde, machten sich sechsstellige Nummern erforderlich. Die neue Technik war nicht nur modern, sondern auch deutlich besser in der Verständigungsqualität. Vorbei waren die Zeiten, in denen es in der Leitung durch elektrisch ausgelöste Schaltimpulse knackte. Zu DDR-Zeiten kam es manchmal auch zu Störungen, weil Mitarbeiter des MfS sich in Gespräche einklinkten.

Sicher muss man, wenn man die Post in der DDR betrachtet, zuerst die vielen fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würdigen, die in einer Mangelwirtschaft und teilweise unter widrigen Arbeitsbedingungen dafür sorgten, dass Briefe und Pakete zugestellt wurden und der Telefonverkehr funktionierte. Die Post weckte jedoch auch die Begehrlichkeiten des Staatssicherheitsdienstes. Zwar stand die Nichteinhaltung des Briefgeheimnisses auch in der DDR unter Strafe, dennoch gab es eine systematische Kontrolle aller Postsendungen aus oder in den Westen durch die Abteilung M des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Vergleichbares galt für den Fernmeldebereich. Die Telefonüberwachung des MfS begann 1950. Mitte der 1980er Jahre beschäftigte die Hauptabteilung S (Technische Sicherheit) etwa 1.000 Mitarbeiter. 1986 wurden 2.030.130 Gespräche abgehört.

Erweiterung und Übergang in die Privatisierung

Vielleicht expandierte die Post in Döbeln räumlich auch aus diesem Grund. Das Haus Zwingerstraße 13, direkt gegenüber der Hauptpost, nutzte man viele Jahre als Verwaltungsgebäude. Früher ging es hier nicht bürokratisch staubtrocken, sondern eher feuchtfröhlich zu. Das Haus beherbergte das Restaurant „Bellevue“, später die „Postschänke“.

1990 - die Bundespost zeigt Flagge (Sammlung Ettrich)
Döbeln 2025 - Packstation (hier an der Schlachthofstraße) statt Postfiliale

Nach der Friedlichen Revolution in der DDR wurde die Deutsche Post 1990 in die Deutsche Bundespost integriert. Deren Zerschlagung war jedoch bereits in vollem Gange. In drei Postreformen entstand aus der Deutschen Bundespost die Deutsche Post AG, die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Postbank AG. Mit der Privatisierung begann eine Sparpolitik, bei der alles auf Gewinnmaximierung ausgerichtet wurde. Das einst dichte Amtsstellennetz wurde immer mehr ausgedünnt, und die Post als Einrichtung des öffentlichen Dienstes, die der allgemeinen Daseinsvorsorge verpflichtet war, gehörte der Vergangenheit an.

Das Verteilzentrum der Deutschen Post AG in der Schlachthofstraße ist ein schmuckloser Flachbau in der zweiten Reihe.
Der Glamour des Kaiserlichen Reichspostamtes ist dahin, geblieben ist ein Zustellstützpunkt.

Auch in Döbeln gab es bald erste größere Veränderungen. Nach der Wende übernahm die Deutsche Bundespost das Gebäude der Hauptpost. Für moderne Arbeitsabläufe war das Gebäude jedoch ungeeignet. Der „Gelbe Riese“ baute für die Briefsortierung an der Schlachthofstraße ein neues Gebäude und konzentrierte dort seine Aktivitäten. Die Fassade der alten Post sanierte man zwar 2001, innen blieben aber viele Räumlichkeiten ungenutzt. Unrentabel – entschied der Bonner Konzern.

2003 kauften Sven Weißflog und Jens Weinert das Gebäude von der Deutschen Post AG und begannen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit der Sanierung und Vermietung des Objekts. Im zentralen Bereich betrieb die DHL-Gruppe einen Post-Service, was viele Döbelner zu schätzen wussten. Auch die Postbank unterhielt hier ein Kundencenter. 2024 war auch damit Schluss: Die Post verabschiedete sich nach 127 Jahren von ihrem Hauptquartier in Döbeln.

Die Hauptpost im Jahr 2024 - immer noch eines der attraktivsten Gebäude der Stadt.

Derzeit befinden sich in der ehemaligen Post das Kosmetikstudio „Élégance“, das Tattoostudio „Kreuz & Quer“ und die Karate Kobudo Akademie. Im Untergeschoss kann man den KL17-Keller für private Feiern mieten. Hoffentlich wird das schöne Gebäude in zentraler Lage zukünftig noch stärker genutzt. Wer auch immer hier einzieht, muss sich damit arrangieren, dass er in der ehemaligen Post unterkommt.


© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V. (22.05.2025)

Quellen:
Carl Wilhelm Hingst: Chronik von Döbeln und Umgegend. Döbeln 1872
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 70ff.
Priemer, Rudolf: Das Döbelner Postamt und seine anspruchsvollen Formen. Sachsenkurier Nr. 5/1994
Neubauer, Wolfgang: Eine neue Epoche der Fernsprechtechnik. In: STIEFEL Das Stadt-MAGAZIN für Döbeln. Heft 3, März 1997, S. 8-9
Stadt Döbeln und AG Heimatfreunde (Hg.): Döbelner Chronik – 1871-1999. Beucha 1999
Jens Gieseke: Die Stasi 1945-1990. München 2011


Bildnachweis:
Alle Abbildungen ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.

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