Panorama
Am Rathaus beginnend wandern wir rund um Döbeln und genießen das Panorama.
In Schilderungen der landschaftlichen Lage Döbelns liest man oft: Döbeln liegt idyllisch im Tal der Freiberger Mulde, umgeben von sanft ansteigenden bebauten und bewaldeten Berghängen! Wir wollen heute den Wahrheitsgehalt dieser Aussage überprüfen und folgen dem Rat, den der Volksmund so formuliert: "Wer vom Rathaus kommt, ist klüger als zuvor!"
Also sind wir dem Bürgermeister auf das Dach gestiegen, will sagen, wir besuchen das Stadtmuseum in drei Turmetagen des Rathausturmes. Im Museum kann man neben dem Betrachten historischer Objekte auch Fakten aus der Erdgeschichte der Döbelner Landschaft erfahren und gleichzeitig von den Balkonen der obersten Turmetage einen Rundblick über Döbeln bis hin zu den Talrändern werfen!
Bodenfunde von Gesteinen und Ablagerungen im Döbelner Raum zeugen von Vorgängen, die sich hier in der "Jugendzeit der Erde" vor Jahrmillionen abspielten und das Antlitz der Landschaft formten: Zweimal reichte das urzeitliche Meer bis hierher, zweimal war das Land von einem Eispanzer überzogen, es gab Einbrüche, Faltungen und Lava. All diese Naturkräfte der Urzeit schufen ein Urstromtal, in welchem heute ruhig die Mulde fließt und noch Platz für Döbeln ließ!
Die ursprünglichen Wassermassen haben gewiss einst den ganzen Talkessel als See gefüllt, zumal ja die Mulde zu jener Zeit in Bauchlitz nach Nordost abbog und über Gärtitz nach Riesa zur Elbe abfloss, bis sie am Spitzstein bei Westewitz den Weg nach Westen durchbrach! Die Hänge des Döbelner Tales erhielten durch abfließendes Wasser teilweise tiefe und ausgedehnte Schluchten - denken wir dabei an das Bärental oder den Amselgrund. Erosive Kräfte von Wind und Wasser glätteten die Hänge und üppiger Bewuchs tat sein übriges.
Geologisch gesehen haben wir es mit einer Hochebene zu tun - im Döbelner Gebiet ca. 240 m über NN - welche von Norden nach Süden hin ansteigt und von einem Flusstal durchschnitten wird. In diese Talsenke drängen sich von den Seiten Abhänge der Hochebene mehr oder weniger herein und wurden zur Unterscheidung mit Bergnamen bezeichnet!
Wir schauen nun von den Balkonen des Rathausturmes in die vier Haupthimmelsrichtungen und prüfen, ob die Anfangsbehauptung über die Döbelner Lage auch heute noch Bestand hat. In die Richtungen Süden und Westen gesehen, mag dies stimmen. Nach Norden und Osten geschaut trifft dies nicht zu, denn in diese Richtungen hat sich Döbeln durch neue große Wohngebiete und Gewerbeflächen ausgedehnt und tut dies auch weiterhin. Dabei ist natürlich ein Teil der früheren Flora der Bausubstanz gewichen. Und die Zeiten, da noch bäuerliches Leben bis an die Talränder reichte, sind endgültig vorbei. Trotzdem kann Döbeln auch heute noch ob seiner Lage beneidet werden!
Der Lauf der Mulde soll uns nun durch die Döbelner "Bergwelt" leiten. Wenn der Fluss von Süden her kommend die Stadtgrenze Greußnig erreicht hat, dann ist er von seiner Quelle, die in 840 m Höhe am Glaserberg auf dem Erzgebirgskamm liegt ca. 100 km entfernt und auf ca. 170 m über NN herabgestiegen. Links von ihm bei Greußnig liegen der Hintere und Vordere Pferdeberg, rechts nach Osten hin die Anhöhen von Sörmitz und Hermsdorf.
Der Vordere Pferdeberg fällt zum Röschengrund ab und steigt dann wieder zum Hirten- und weiter westlich zum Waldberg auf, welche den Talkessel nach Süden hin begrenzen. Zwischen beiden Letztgenannten liegen die schön bewaldeten Hänge des Bärentales. Der Waldberg und die Anhöhen im Anschluss an diesen entlang der B169 schirmen die Stadt nach Westen hin ab.
Bevor sich die Mulde am Schloßbergfelsen - selbiger ist mit ca. 15 m die größte Erhebung auf der Muldeninsel - in den Nord- und Südarm aufteilt, liegen östlich von ihr der Dresdener Berg und die Zschackwitzer Höhen, die im Mittelalter den gefürchteten Namen "Galgenberg" hatten. Nördlich vom Nordarm der Mulde liegend passieren wir dann den Töpferberg und den Staupitzberg, danach, wieder mit dem Südarm vereint, den Burgstadel (früher Reichenstein) und den Eichberg. Weiter, schon außerhalb der westlichen Stadtgrenze, befinden sich rechts der Zschepplitzer Berg und links die Höhen von Stockhausen.
Ich hoffe, den Lesern ist bei dieser "Bergwanderung" nicht schwindlig geworden. Wir verlassen nun die Wege, welche die Natur vorgibt und machen noch eine gedankliche Wanderung auf vom Menschen geschaffenen Pfaden aus dem Talkessel hinaus auf zwei Höhen. Auf dieser Tour berichten wir über Dinge von gestern und heute, denen wir am Wegrand begegnen.
Wir verlassen die Muldeninsel über den Staupitzsteg und gehen in östliche Richtung bis zur sogenannten Muldendrehe in der Nähe des Klostergutes am Fuße des Töpferberges. Hier haben die Muldenwasser den blanken Felsen freigewaschen. Es geht die Terrassenstraße steil bergauf bis zur Kreuzung mit der Leipziger Straße (B 175). Diese Straße über den Leipziger Berg - also über den nördlichen Teil der Hochebene - beginnt unten an der Oberbrücke und endet am Bahnübergang in Großbauchlitz. Bis zum Jahre 1871 war ihr Name Bahnhofstraße, weil der erste Bahnhof in Bauchlitz gebaut worden war.
Nach Überquerung der Leipziger Straße führt uns die Straße "Zur Muldenterrasse" weiter nach oben. Hier breitet sich das in den 80iger Jahren des ausgehenden Jahrhunderts gebaute große Wohngebiet aus, auf welchem 2.400 Wohnungen entstanden sind! 5.000 Jahre vor Christi in der jüngeren Steinzeit siedelten erstmals Menschen in diesem Gebiet des Nordhanges!
Bald erreichen wir mit 239 m über NN den höchsten nördlichen Punkt Döbelns auf dem Staupitzberg. Mit noch 30 Metern mehr wird er von dem hier stehenden Holländerturm überragt. Einst stand hier eine im Jahre 1874 gebaute Holländermühle, von der heute noch der steinerne Unterbau existiert. Als Besonderheit hatte diese Mühle 5 Flügel und stand so wie heute neben einem Wohnhaus mit Gaststätte.
Der Aussichtsturm feierte dieses Jahr seinen 100. Geburtstag, er wurde am 20. Mai 1900 eingeweiht. Wer die 170 Stufen nicht scheut, kann zur Aussichtsplattform hochsteigen und einen herrlichen Rundblick über Stadt und Land genießen. Im Westen an der Autobahn nach Leipzig sieht man dann die "Windmühlen von heute" - zahlreiche Windräder zur Stromerzeugung!
Im Süden gehen wir über die Niederbrücke zum Körnerplatz. Nach einem kurzen Stück der Geyersbergstraße kommen wir in die Hainichener Straße, die - im Jahre 1857 fertiggestellt - steil zum Hirten- und Geyersberg ansteigt. Dieser Streckenverlauf entspricht dem alten Böhmischen Weg, der vom Brandenburgischen bis nach Prag führte. Die schwerbeladenen Handelsfuhrwerke passierten früher oberhalb der Niederbrücke eine Furt durch die Mulde und wurden dann verstärkt durch Vorspannpferde den Südhang von Döbeln mit großer Mühe hoch bewegt!
Links der Straße zum Hirtenberg zieht sich der 1585 angelegte und mehrfach erweiterte Niederfriedhof entlang, rechts davon sehen wir den Grünen Stiefel. Am Gipfelpunkt bei der Einmündung in die Geyersbergstraße befindet sich das im Jahre 1938 erbaute Krematorium. Die Stadtgrenze erreichen wir an der Schillerhöhe bei 252 m über NN. Zu diesem Punkt gelangt man auch über die in zwei großen S-Kurven verlaufende Geyersbergstraße. Der Geyersberg wurde ab 1921 mit einer Straße versehen und bebaut. Von einigen Streckenabschnitten der Straße hat man schöne Ausblicke über Döbeln und ins umliegende Land.
Gerhard Heruth
"Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.
Mitgliederinformation Nr. 19
Dezember 2000
LGD-Fotos: Matthias Müller