Obermarkt

Entdeckungen im tausendjährigen Döbeln

Der Obermarkt kann getrost als das Herz Döbelns bezeichnet werden.

Genau zwischen den beiden Wahrzeichen der Stadt, dem Rathaus und der St. Nicolaikirche, gelegen, bildet er mit dem Niedermarkt das Geschäftszentrum der Stadt. Der Obermarkt hieß zwischenzeitlich auch mal Hindenburgplatz und Roter Platz. Er blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück, die es verdient hat, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Die Ursprünge der Stadt Döbeln liegen im Osten der Muldeninsel. Unterhalb der Burg, die man später etwas großspurig als Schloss bezeichnete, entstanden erste bescheidene Wohnquartiere rund um eine bescheidene Stadtkirche. Am Standort der Burg, auf dem Schlossberg, befindet sich heute eine Förderschule.

Die Kirche, zwischenzeitlich mehrfach abgebrannt und umgebaut, hat als St. Nicolaikirche überdauert. Von dieser Keimzelle der Stadt Döbeln wuchs die Stadt gen Westen.
Der Obermarkt war anfangs ein Friedhof. Stadtchronist Carl Wilhelm Hingst schreibt im Jahr 1872: „Der ganze freie Platz von der Kirche bis zum Rathause war in früher Zeit der Kirchhof St. Nicolai […].“ Bis 1474 wurden Verstorbene hier begraben. Durch die enorme Anzahl von Pesttoten in den Jahren 1474/1475 waren die Döbelner allerdings gezwungen, einen weiteren Friedhof außerhalb der damaligen Stadtgrenzen vor dem Obertor anzulegen. Der St.-Nicolai-Friedhof, später Oberfriedhof genannt, wurde südlich der St.-Georgen-Straße angelegt und erstreckte sich entlang des Muldenufers, bis zum Schlossbergwehr. Hier beerdigte man nunmehr die Toten. Den alten Kirchhof St. Nicolai brauchte man für die Wohnbebauung der stetig wachsenden Einwohnerschaft.

Wochenmarkt im Bereich des Mittelmarktes, der früher den westlichen Teil des Obermarktes bildete. Er hieß Mittelmarkt, weil er zwischen dem Kornmarkt und dem Niedermarkt angesiedelt war. Später fasste man Korn- und Mittelmarkt unter der Bezeichnung Obermarkt zusammen.
Platzmusik vor dem alten Rathaus auf dem Obermarkt - eine Militärmusikkapelle sorgt für gute Stimmung.

Im 16./17. Jahrhundert entstand immer mehr die Struktur, die wir heute kennen. Noch nannte man den Obermarkt nicht Obermarkt, sondern sein westlicher Teil wurde als Mittelmarkt, sein östlicher Teil als Kornmarkt bezeichnet. Die Nutzung erschließt sich schnell. Jeden Donnerstag kamen die Bauern der umliegenden Dörfer in die Stadt und verkauften auf dem Kornmarkt Weizen, Gerste und Hafer. Für die Städter war dieser Markt ein Lebensquell. Wer Getreide hat, kann Brot backen. Auf dem Mittelmarkt, direkt vor dem Rathaus, wurden an Markttagen Waren des täglichen Bedarfs feilgeboten. Auch öffentliche Hinrichtungen wurden hier durchgeführt. 1701 errichtete man einen Galgen. Makaber, aber damals leider üblich: Hinrichtungen mitten in der Stadt boten einen gewissen Unterhaltungswert und waren gut für das Geschäft der umliegenden Ladenbesitzer. Die Zeiten wandelten sich. Hinrichtungen kommen aus der Mode. Später versucht man mit Platzkonzerten Menschen auf den Obermarkt zu locken. Immer wieder wurde und wird es auf dem Obermarkt auch politisch. Versammlungen, Protestkundgebungen, Demonstrationen, Vereidigungen von Soldaten, Massenkundgebungen und Aufmärsche vor Ehrentribünen. Die politischen Systeme kommen und gehen – der Obermarkt als Ort des Geschehens bleibt.

Kundgebung auf dem Obermarkt im Jahr 1928

Stück für Stück erhält der Obermarkt seine heutige Gestalt. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entsteht die Marktgasse mit den elf Gebäuden, die den Korn- vom Mittelmarkt trennen. Auch an die Wasserversorgung hatte man gedacht. So befand sich auf dem Mittelmarkt ein Röhrwasserbrunnen. In einem großen Bottich waren immer 36 Fass Wasser vorrätig. Natürlich ging man bei der Wasserversorgung mit der Zeit. Seit dem 05. Dezember 1865 betrieb man auf dem neu gepflasterten Obermarkt ein Druckwasserwerk mit eisernem Aufsatz, das von einer neu angelegten eisernen Wasserleitung gespeist wurde. Um den Marktbesuch für Fußgänger noch sicherer zu machen, verlegte man vor den Geschäften des Obermarktes Trottoirplatten. Die Zeitung berichtet in dem Zusammenhang von einem tragischen Unfall. Ein elfjähriges Mädchen wurde von einer ans Rathaus angelehnten Platte erschlagen.

Röhrwasserbrunnen in Döbeln auf dem Obermarkt um 1830. Gut zu sehen ist hier auch die fast geschlossene Bebauung auf der Südseite des Marktes.
Rechts im Bild sieht man die beiden Häuser Wilhelm Kolbes und Carl Rudolphs, die, um den Obermarkt besser anzubinden, 1890 abgerissen wurden.

Südlich der Innenstadt entstanden immer mehr Wohnhäuser. Um diese besser an den Obermarkt anzubinden, baute man 1886 ungefähr an der Stelle, an der heute Autos auf der Straße des Friedens die Mulde queren, den Zwingersteg. Der Zugang zum Obermarkt erfolgte über einen kleinen Durchgang, ungefähr in dem Bereich, in dem heute die Straße des Friedens auf den Markt trifft. Dass dieser Minizugang ein Problem war, hatte man im Rathaus schnell erkannt und brauchte für die Lösung kein jahrelanges Planfeststellungsverfahren. Die Häuser Obermarkt 8 von Eisenwarenhändler Carl Rudolph und Obermarkt 9 von Wilhelm Kolbe (alte Katasternummern) werden 1890 abgerissen. Die Nummer 8, einst im Besitz von Bürgermeister Carl Ludwig Schwabe, hatte illustre Gäste beherbergt. Während der Amtszeit Schwabes übernachtete hier 1841 Prinz Johann, der auch als König von Sachsen 1857 nochmal die Gastfreundschaft des Bürgermeisters in Anspruch nahm. König hin, König her. Der Obermarkt hat seit 1890 eine südöstlich Straßenanbindung, über die man auch schnell die Eisenbahnhaltestelle an der Roßweiner Straße erreichen konnte. Auch nachts war die sicher gut zu sehen, erhält doch der Obermarkt 1890 eine Nachtlaterne.

Historische Postkarte - Obermarkt mit Pferdebahn

Für eine gute Erreichbarkeit des Döbelner Zentrums sorgte auch die 1892 eröffnete Pferdebahn, die Gäste der Stadt vom Hauptbahnhof bis zum Obermarkt brachte. Täglich wurden bis zu 33 Fahrten je Richtung durchgeführt. Als eine der letzten Pferdebahnen in Deutschland stellte die Döbelner Straßenbahn im Dezember 1926 den Betrieb ein. Von da an fuhr der Kraftomnibus.
Als Döbeln 1887 Garnisonsstandort wurde und der Neubau einer Kaserne an der Bahnhofsstraße beschlossene Sache ist, verlor die alte Hauptwache auf dem Obermarkt ihre Bedeutung. Auch ohne Kaserne hatte es in Döbeln immer Soldaten gegeben. Die Truppen waren in Sammelunterkünften oder Privatquartieren untergebracht und damit über die ganze Stadt verstreut. Die Hauptwache fungierte lange als Wachlokal und Anlaufstelle für die dezentral untergebrachten Soldaten und Offiziere. 1900 wird die Hauptwache abgerissen. Beseelt von der Reichsgründung und voller Patriotismus plante man an dieser Stelle ein Bismarckdenkmal. Dem mussten 1904 auch die vier alten Linden weichen, die die Hauptwache umstanden hatten.

Am 5. Juli 1905 fand die feierliche Enthüllung des Denkmals auf dem Obermarkt statt, für welches insgesamt 4000 Mark, damals eine stolze Summe, aufgewendet wurden. Nach 1945 wurde es entfernt. Bismarck galt nicht mehr als der „eiserne Kanzler“, auf den man stolz war, sondern als Exponent des preußischen Militarismus, der für zwei Weltkriege mitverantwortlich gemacht wurde. Die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ errichtete ein Denkmal für die Opfer des Faschismus. Es stand nicht lange auf dem Obermarkt. Man setzte es auf den heutigen Wettinplatz um, wo immer noch ein Ort des Gedenkens ist. Um den freigewordenen Platz zu füllen, errichtete man einen Schnellimbiss, später einen Biergarten. Heute noch weihevolles Gedenken, morgen Bockwurst und Bierchen – so schnelle Wechsel in der Funktion eines Ortes sind nichts für schwache Nerven.

(1) Fotografie der alten Hauptwache auf dem Obermarkt aus dem Jahr 1887 - Die Hauptwache fungierte als Wachlokal und Anlaufstelle für die in der ganzen Stadt untergebrachten Soldaten und Offiziere. Als im April 1893 das Wachlokal am Eingang der Kaserne fertiggestellt, quartierte man in der Hauptwache auf dem Obermarkt die städtische Polizei ein.
(2) Das Bismarckdenkmal wurde am 05. Juli 1905 feierlich auf dem Obermarkt enthüllt.
(3) An seiner Stelle errichtete die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ ein Denkmal für die Opfer des Faschismus, das aber nach wenigen Jahren an den heutigen Wettinplatz verbracht wurde. (© www.döbeln.de)
(4) Lehmanns Schnellimbiss war in den 1970er und 1980er Jahren in Döbeln eine feste Institution. Die Döbelner Bockwurst feierte hier Hochstände.
(5) 2024 lädt der Biergarten des Hotels "Bavaria" seine Gäste zum Verweilen ein.

Um die Jahrhundertwende wurde in Döbeln grundsätzlich nicht gekleckert, sondern geklotzt. Die Stadt erlebte einen enormen industriellen Aufschwung, die Steuern sprudelten. Döbeln entwickelte sich zu einer prosperierenden Industriestadt, ein neues, repräsentativeres Rathaus musste her. Schon 1908 stellte man hierfür die Weichen, kaufte die Grundstücke Obermarkt 31 und 32, sowie die Häuser Stadthausstraße 10 und 11, um sie abzureißen. Das neue Rathaus sollte deutlich größer werden als das alte. Es wurde am 14. Oktober 1912 mitsamt dem Schlegel-Brunnen eingeweiht. Auch eine neue Pflasterung erhielt der Obermarkt in den Jahren 1912/13. Immer mehr wird er zum repräsentativen Zentrum der Stadt.

(1) Das alte Rathaus Döbelns entstand in der bekannten Form 1730 nach einem Stadtbrand. 1731 konnte der Dachstuhl gehoben und das Rathaus wieder genutzt werden. Später bekam das Gebäude einen kleinen Turm aufgesetzt und erhielt eine Uhr samt Justiz- und Marktglocke. Es wurde 1910 mit weiteren vier Häusern abgerissen, um Baufreiheit für ein deutlich größeres Rathaus zu schaffen.
(2) Das neue Rathaus, in seiner winkligen Form dem Obermarkt angepasst, wurde am 14.10.1912 nach zwei Jahren Bauzeit im Beisein König Friedrich Augusts feierlich eingeweiht. Die Baukosten betrugen 1.059.365 Mark, für die damalige Zeit eine gewaltige Summe. Das neue Rathaus entwickelte sich schnell zum wichtigsten Postkartenmotiv Döbelns.

Lassen Sie uns nun eine kleine Runde über den Obermarkt und durch die Zeiten drehen, einige der 28 Häuser des Marktes haben es verdient, dass man sie etwas genauer vorstellt. Die Nummer 1, das Rathaus, wird auf dieser Webseite in einem eigenen Artikel behandelt, weshalb wir uns gleich der Nummer 2 zuwenden. In diesem Eckhaus zur Kreuzstraße befindet sich die Löwen-Apotheke. Diese wurde 1545 gegründet. Am heutigen Standort können sich die Kunden seit 1818 Salben, Tinkturen, Pflaster, Elixiere, Tabletten, Pulver und allerlei getrocknete Kräuter kaufen. Oft wechselte anfangs der Inhaber, bis 1889 Carl Ludwig Lehning aus Büdingen/Hessen die Apotheke kaufte. Er ist der Urgroßvater der heutigen Besitzerin Dagmar Schmidt. So sieht Kontinuität aus.

(1) Löwenapotheke im Jahr 2024 (2) Um 1900 entstand das erste erhaltene Foto der Löwenapotheke am jetzigen Standort. Links im Bild noch die Rückfront des alten Rathauses. (3) Werbeanzeige der Löwenapotheke aus dem Jahr 1910 (4) Foto der Löwenapotheke vor 1928 (5) Aufnahme Beginn der 1990er Jahre (© Fotos 2/4/5 Stadtarchiv Döbeln)

Zwei Häuser weiter in Nr. 4 war früher das Konzerthaus „Bärenschänke“ zu finden. Hier probierte man eine einfache, aber wirkungsvolle Geschäftsidee aus. Live-Musik und gute Gastronomie lockten die Döbelner in Scharen an. Besonderer Andrang herrschte, wenn die Damenkapelle spielte. 1924 machte man aus der „Bärenschänke“ das „Café Astoria“, in den 1930er Jahren erfolgte die Umbenennung in „Rathaus-Café“. Der Arbeiter- und Bauernstaat eröffnete in dem traditionsreichen Haus die „HO-Milchbar“. Bei Eis, Kaffee und Kuchen konnten man es sich hier gutgehen lassen. Voraussetzung: Man sah nicht zu sehr auf die Kalorien der Leckereien. Diejenigen, die heute in der Nr. 4 einkaufen, haben die Kalorien meist genau im Blick. Bei Intersport Schmidt finden sie alles rund um ihre sportlichen Aktivitäten – Bekleidung, Schuhe und Ausrüstung.

(1) Die "Bärenschänke" auf dem Obermarkt war viele Jahre Döbelns bekanntestes Konzerthaus.
(2) Werbeanzeige für die "Bärenschänke" aus dem Jahr 1908
(3) Aus der Schänke wurde das "Rathaus-Café". Die Livemusik blieb erhalten. (© www.döbeln.de)
(4) In den 1960er Jahren wurde der Name "Milchbar" eingeführt. - Angebotskarte aus dem Jahr 1967
(5) Heute ist im Haus Obermarkt Nr. 4 ein Sportgeschäft zu finden.

Von 1823 bis 2013 verkaufte im Haus Obermarkt Nr. 5 die Familie Richter über sechs Generationen hinweg Kleidung für den Herren. Weil die Altvorderen Hutmachermeister waren, bürgerte sich der Name „Hut-Richter“ ein, der auch noch verwendet wurde, als es hier nicht mehr nur Hüte, sondern die ganze Palette an Herrenbekleidung gab.
Heute beherbergt das Geschäft Karls Manufakturen-Markt. Seit 2024 gibt vor den Toren der Stadt, in der Nähe der Autobahnabfahrt Döbeln-Nord, Karls Erlebnis-Dorf. Damit sich die Döbelner schon etwas an ihre neue Attraktion gewöhnen konnten, eröffnete Inhaber Robert Dahl 2023 einen Karls-Laden in der Döbelner Innenstadt. Hier gibt es alles rund um die Erdbeere und noch ein bisschen mehr.

Das Modehaus Richter war viele Jahre die erste Adresse Döbeln, wenn es um Bekleidung für den Herrn ging.
Sicher eine schmerzliche Entscheidung - nach 190 Jahren schließt das traditionsreichste Geschäft des Obermarktes.
Herbert Näcke (1892-1952)

Vor und nach dem Krieg verkaufte im Haus Nr. 6 Herbert Näcke Elektrowaren. Das Sortiment ist weit weniger interessant als der Inhaber. Näcke spielt für die Geschichte der Stadt Döbeln eine wichtige Rolle. Als die Rote Armee Anfang Mai 1945 Döbeln ins Visier nahm und die örtlichen Nazi-Bonzen zum Widerstand aufriefen, fuhr Näcke mit seinem Motorrad den sowjetischen Soldaten entgegen und vermittelte die kampflose Übergabe der Stadt. Dass Döbeln völlig unzerstört bliebt, deshalb nach dem Krieg auch als „goldene Stadt" bezeichnet wurde, ist maßgeblich sein Verdienst. Herbert Näcke, der Elektrowarenhändler vom Obermarkt, rettet unter Einsatz seines Lebens Döbeln vor der Zerstörung. Wir sollten uns seiner dankbar erinnern.

(1) Links gut zu erkennen - das Elektro-Haus Herbert Näcke.
(2) Heute findet man im Haus Obermarkt Nr. 6 eine Filiale von "Ernsting's family" und die Geschäfte "Kleeblatt-Moden" und "Family Schuh".

Werbeanzeige aus dem Jahr 1883

Das Nachbarhaus Obermarkt Nr. 7 beherbergte unterschiedliche Mieter. Im Jahr 1893 betrieb hier zum Beispiel ein Herr namens Krawatzki ein Atelier für künstliche Zähne. Man hatte die Wahl, ob die neuen Beißer aus Celluloid, Gold, Platin oder Kautschuk bestehen sollten und auf Wunsch führte der Meister die Operationen sogar schmerzlos aus. Wenn das keine guten Aussichten sind.

Vielen Döbelnern ist das Haus allerdings eher aus einem anderen Grund vertraut. Hier florierte viele Jahrzehnte lang der Handel mit dem gedruckten Wort. Schon vor dem Krieg verkauften dort Fritz Zocher und Karl Krebs Bücher. In der DDR war 40 Jahre die Volksbuchhandlung „Buch und Kunst“ hier zuhause. Über das Geschäft wurde auch der Schulbuchverkauf für ganz Döbeln abgewickelt. Von 1991 bis 2013 nahm dann die „Erich-Kästner-Buchhandlung“ die Wünsche der Kunden entgegen. Als diese schloss, endete eine lange Tradition von Buchgeschäften auf dem Obermarkt. Wer in Döbeln Bücher kaufen will, wird nun in der „Buch-Oase“ auf der Ritterstraße fündig. Im Haus Nummer 7 auf dem Obermarkt werden derzeit Schuhe verkauft.

(1) Derzeit verkauft das Fachgeschäft Jung im Haus Obermarkt 7 Schuhe.
(2) Die Döbelner Volksbuchhandlung und ihre langjährige Chefin Christa Lange waren im "Leseland DDR" eine feste Institution. (© www.döbeln.de)

(3) Carl Schmidt war der erste erfolgreiche Buchhändler Döbelns. Seine Nachfolger Fritz Zocher und Karl Krebs führten die Buchhandlung unter seinem Namen weiter. - Werbeanzeige Fritz Zochers aus dem Jahr 1900.
(4) Seine Ursprünge hatte die Buchhandlung Schmidts in der Ritterstraße. Seine Nachfolger ziehen von dort auf den Obermarkt ins Haus Nr. 7. - Werbeanzeige von Karl Krebs aus dem Jahr 1910

Werbeanzeige aus dem Jahr 1914

Im Haus Obermarkt Nr. 8 an der heutigen Straße des Friedens handelte seit 1866 Carl Rudolph auf zwei Etagen mit Eisenwaren und Haushaltgeräten. Nach seinem Tod heiratete seine Witwe 1875 Reinhard Seifert, der das Geschäft unter dem Namen Carl Rudolphs weiterführte. Wegen der Anbindung der damaligen Königsstraße an den Obermarkt wurde das alte Geschäftshaus 1890 abgerissen. Seifert machten aus der Not eine Tugend. Er baute auf dem verbliebenen Grund ein fünfstöckiges Geschäftshaus, das deutlich größer und repräsentativer war als der Vorgängerbau. Es reichte vom Obermarkt bis zur Fronstraße und hatte im Vergleich zum alten Landgeschäft eine deutlich größere Verkaufsfläche. In dem Warenhaus konnte man neben Werkzeug und Eisenwaren auch Küchen- und Gartengeräte, Sattler- und Polsterbedarf, Dekorationsmaterial, Sport- und Angelgeräte, Gardinenzubehörteile, Sargbeschläge, Gartenmöbel, Glas-, Porzellan- und Spielwaren kaufen. Nach dem Tod Seiferts übernahm 1926 sein Sohn Karl das Geschäft. Seit 1963 leitete dessen Tochter Ursula das Unternehmen. 1973 wurde im Kontext einer Verstaatlichungskampagne der DDR der politische und wirtschaftliche Druck so groß, dass die Eigentümerin aufgab. Bis zur Wiedervereinigung führte der Laden in staatlicher Obhut ein eher kümmerliches Dasein. Nichts war vom alten Glanz des Kaufhauses geblieben. 1991 kaufte die WM Immobilien GmbH das Haus und sanierte es. Einige Jahre konnte man dort in der 1. Etage im Restaurant „Shanghai“ asiatisch essen, auch mit Stäbchen, wenn man wollte. Heute findet man hier u.a. Shop und Redaktion der „Döbelner Allgemeinen Zeitung“, einen Vodafone-Shop und das Bürgerbüro der CDU.

(1)/(2) Historische Ansichtskarten von der Einmündung der Königstraße in den Obermarkt. Das fünfstöckige Kaufhaus rechts prägt den Obermarkt.
(3) Formular einer Auftragsbestätigung mit Außen- und Innensichten des Kaufhauses, 1930er Jahre
(4) Während der NS-Zeit nannte man den Obermarkt Hindenburgplatz und die Königstraße wurde zur Hitlerstraße. (© www.döbeln.de)
(5) Das Eckhaus Obermarkt Nr. 8 beherbergt heute das Geschäft eines großen Mobilfunkanbieters und die Redaktion der "Döbelner Allgemeinen Zeitung".

Das gegenüberliegende Eckhaus auf der anderen Straßenseite ist das Clemen-Haus, das zur Straße des Friedens zählt. August Friedrich Clemen hatte hier 1784 eine Kolonialwarenhandlung eröffnet. Schon früh begann er auch mit der Herstellung von Schokolade. Seine Nachfahren setzten ganz auf das „süße Geschäft“ und bauten 1911 in der Reichensteinstraße eine große Schokoladenfabrik.
Im Clemen-Haus kehrten die Döbelner in den 1920er Jahren in Gerhardts Wein- und Bayrischbierstube ein, später wurde eine Eisdiele eröffnet. 1957 belebte man diese Tradition und verband die HO-Eisdiele mit einer kleine Eisfabrikation. Sechs Frauen stellten in einer Schicht 6000 Stück Stieleis in den Sorten Eis Othello, Schoko und Vanille her. Das Eis schmeckte nicht wie das vom Italiener, aber man war damals noch nicht so wählerisch und freute sich über das, was man hatte.

(1) Blick vom Rathaus auf den Giebel des Clemen-Hauses an der Einmündung der Königstraße (heute Straße des Friedens). Gut zu lesen: Clemen & Sohn - Kakao- und Schokoladenfabrik.
(2) Viele Jahre Jahre befand sich in dem Haus die "Colonialwaaren-, Cigaretten-, Spirituosen- und Wein-Handlung Clemen & Sohn". Aus der kleinen Schokoladenproduktion entwickelte sich später eine Schokoladenfabrik, die man in der Reichensteinstraße baute. - Werbeanzeige aus dem Jahr 1893
(3) Der Schriftzug "Clemen" hielt sich bis zum heutigen Tag an der Fassade des Hauses. Er erinnert an Zeiten, als Döbeln in Sachsen wichtiges Zentrum der Süßwarenindustrie war.
(4) In der DDR-Zeit war im Erdgeschoss des Hauses eine "HO - Eisdiele" untergebracht, die sich einiger Beliebtheit erfreute. (© www.döbeln.de)

(5) Im Clemen- Haus hat heute ein Arzt seine Praxis. Die süßen Zeiten sind vorbei.

Das Nachbarhaus Obermarkt Nr. 9 gehörte früher der Kaffee-Rösterei Rudolf Türpe. Später waren dort Lebensmittel und Feinkostwaren erhältlich. Türpes Ausstattung bestand wie bei alten Kaufmannsläden aus hohen Regalwänden. Im unteren Bereich mit vielen Schubkästen und auf dem Tresen standen eine große Waage und eine laut klingelnde Registrierkasse.

"Samen-Wagner" war auf dem Obermarkt eine feste Institution. (© www.döbeln.de)

Schüttbare Waren wurden je nach Wunschmenge in Papiertüten abgefüllt. Heute sind „Unverpackt-Läden“ ein großer Trend in großstädtischen Szeneviertel. Gab es alles schonmal, zum Beispiel bei Rudolf Türpe auf dem Obermarkt. Heute praktiziert in dem Haus ein Urologe. Die Besucher dort schreiten sicher nicht so beschwingt durch die Tür, wie zu Zeiten der Kaffeerösterei. Wer will es ihnen verübeln.

In dem großen Haus mit der markanten Giebelreklame, Obermarkt Nr. 10, handelte bis 2017 die bekannte Firma Wagner mit Sämereien, Pflanzen und Gartenartikeln. „Samen-Wagner“ gab es seit 1870 in Döbeln, nach der Wende wurde das Geschäft wieder privatisiert. Heute gibt es hier statt Blumenzwiebeln Elektrogeräte. Das Elektrofachgeschäft EP Schmalfuss ist vom Nieder- auf den Obermarkt gezogen.

Werbeanzeige Gustav Wagners aus dem Jahr 1914
Werbeanzeige von 1939

In den Häusern Nr. 11 bis 13 haben die Besitzer der Läden oftmals gewechselt. Bekannt und über eine lange Dauer ansässig war der Optiker Schröter im Haus Nr. 12. Heute befindet sich hier eine Filiale des Pommlitzer Bäckers Hüttig.
Nach Haus Nr. 13 beginnt die Große Kirchgasse. Seit der Jahrtausendwende 2000 gibt es hier einen Durchgang zur Zwingerstraße, der sich Rathauspassage nennt.

(1) Optiker Schröter war mit seinem Geschäft viele Jahre im Haus Nr. 12 präsent. (© www.döbeln.de)
(2) Aktuell verkauft Bäcker Hüttig hier seine Brötchen.

Das Eckhaus linksseitig bildet den Anfang der Ostseite des Obermarktes und trägt die Nummer 14. Es fällt ins Auge, weil der Name „Altes Amtshaus“ an der Fassade auf seine ehemalige Funktion hinweist. Am 05. Dezember 1853 wurden die Döbelner Gerichtsräume hierher verlegt. In dieser Zeit ging die Patrimonialgerichtsbarkeit auf den Staat über. Das provisorische Königliche Gericht in Döbeln wurde in ein Königliches Gerichtsamt umgewandelt und Justiziar Fleck vom Königlichen Justizministerium mit Genehmigung des Königs zum Gerichtsamtmann ernannt. Der Mann des Königs sollte gut sichtbar im Zentrum Döbelns seines Amtes walten. Es ging hier auch um Repräsentation und Machtdemonstration. Bis 1901 residiert das Gerichtsamt hier am Obermarkt. Es war für immerhin 78 Ortschaften zuständig. Schon bald reichten die Räumlichkeiten nicht mehr aus, weshalb die Königliche Staatsregierung den Neubau eines Gerichtsgebäudes in Döbeln beschloss. Es wurde am 15. Juli 1901 an der Staupitz- und Bismarckstraße (heute Rosa-Luxemburg-Str.) in Benutzung genommen.

Als das Gerichtsamt ins neugebaute Domizil umzog, wurde das Amtshaus am Obermarkt zum „Alten Amtshaus“. Ofensetzmeister Emil Kühne kaufte das Gebäude als Firmensitz und richtete Schauräume ein. Nunmehr ging es hier nicht mehr um Recht und Gerechtigkeit, sondern eher um die wohlige Wärme eines Kachelofens im Winter. Auch ein „Sächsische Engros-Lager“ wurde in dem Gebäude untergebracht, das man heute wahrscheinlich als Outlet-Center bezeichnen würde. Da das Haus groß war, fand auch das Kurz- und Spielwarengeschäft von Leopold Heynemann noch Platz. Leopold und Frida Heynemann waren jüdischer Herkunft und mussten nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten und zahlreichen Aufrufen zum Boykott ihr Geschäft aufgeben. Sie suchten Schutz in der Anonymität der Großstadt Berlin. Hier starb Leopold Heynemann 1941. Seine Frau deportierte man 1943 nach Auschwitz, wo man sie umbrachte. Im „Alten Amtshaus“ wurde Leopold Heynemann von Johannes Wahrig abgelöst, der in seinem Geschäft Schuhe verkaufte. Das Schuhhaus Wahrig war viele Jahre am Obermarkt präsent.

Die 1000-Jahrfeier 1981 machte den Döbelner schmerzlich bewusst, dass mit der Auflösung des Stadtmuseums 1952 ein wichtiger Erinnerungsort der Muldestadt abhandengekommen war. Das sollte sich ändern. Im Jubiläumsjahr eröffnete man im „Alten Amtshaus“ wieder ein Stadtmuseum. Unter der Leitung von Peter Ertel und Monika Wünsch entwickelte es sich schnell zu einem Anziehungspunkt für Heimatfreunde, Schülergruppen und Gäste der Stadt. 1996 musste das Museum wegen der Sanierung des Hauses ausziehen. Nach dem Umbau zog das Modegeschäft Meyer ein, auch Kleeblatt-Moden war eine Weile hier zu finden. Derzeit bietet man im „Alten Amtshaus“ Dienstleistungen rund um das Handy an. Letzte Rettung: Handy-Doc. So ändern sich die Zeiten.

(1) Heute bildet das "Alte Amtshaus" einen würdigen Abschluß des Obermarktes im Osten.
(2) Nach dem Umzug des Gerichts in die Bismarckstraße kaufte Ofensetzmeister Emil Kühne das Haus und nutzte den Bekanntheitsgrad des Gebäudes für Werbezwecke.
(3) Im Erdgeschoss betrieb Leopold Heynemann sein Geschäft.
(4) Werbeanzeige für das Geschäft von Leopold Heynemann aus dem Jahr 1914
(5) Auf Heynemann als Geschäftsinhaber folgte Johannes Wahrig. Sein Schuhhaus "Metropol" war viele Jahre das bekannteste Fachgeschäft für Schuhe in Döbeln (Werbeanzeige aus dem Jahr 1938).
(6) Dieses Foto aus den 1950er Jahren machte man wegen eines Festumzugs. Für uns hier ist das Haus im Hintergrund von Interesse. Mit Kurt Kühne arbeitet bereits der Nachfolger Emil Kühnes im Geschäft. Auch Johannes Wahrig führte sein Schuhgeschaft im "Alten Amtshaus" nach dem Krieg weiter
(Foto: © Stadtarchiv Döbeln).

Bronzestadtmodell Döbelns vor dem "Alten Amtshaus"

Vor dem „Alten Amtshaus“ gibt es seit 2019 eine kleine Attraktion. Nach einer großen Spendenaktion übergab der Lions Club Döbeln der Stadt ein Bronzestadtmodell der Insellage im Maßstab 1:1650. Eine Besonderheit des Stadtmodells ist, dass die Erklärungen auf dem Relief nicht nur in Normalschrift, sondern für Blinde auch in Brailleschrift ausgeführt wurden.

Die Ostseite des Obermarktes wird von den Häusern Nr. 14 bis 19 gebildet. Danach beginnt die Sattelstraße. Auffällig ist das große Haus Nr. 15, das eine lange Tradition als Hotel hat. Anfangs nannte es sich Hotel „Stadt Chemnitz“ und wurde wie folgt beworben: „Altrenommiertes und bestgelegenes Hotel im Zentrum der Stadt, von Geschäftsreisenden bevorzugt, mäßige Preise, Zentralheizung, vorzügliche neue Betten, Bäder im Hause und Haltestelle der Pferdebahn“. Um 1850 wird das Haus mit den vielen Vorzügen zum „Hotel Sächsischer Hof“, um 1900 unter dem Eindruck der Reichsgründung zum Hotel „Reichshof“.
In den DDR-Jahren besuchten die Döbelner im Haus Obermarkt Nr. 15 die Volkshochschule und heute ist es ein Büro- und Ärztehaus. Geblieben ist der Schriftzug „Alter Reichshof“ an der Fassade.

(1) Ältestes Foto des Hauses - Das Hotel "Stadt Chemnitz" war in Döbeln eines der komfortabelsten Hotels.
(2) Zwischenzeitlich lief das Hotel unter dem Namen Hotel "Sächsischer Hof". Neben den Kutschen sieht man auf der Postkarte auch die Döbelner Pferdebahn, die direkt vor dem Hotel eine Haltestelle hatte.
(3) Werbeanzeige Hotel "Sächsischer Hof" aus dem Jahr 1900
(4)/(5)/(6) Die historischen Postkarten zeigen das Hotel "Reichshof". Unter diesem Namen wird das Hotel lange geführt. Noch heute ziert der Name die Fassade.
(7) Werbeanzeige für das Hotel "Reichshof" aus dem Jahr 1910
(8) Aktuelle Aufnahme vom Haus Obermarkt Nr. 15
- Den Namen "Alter Reichshof" gab es in der Geschichte nie. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein.

Ein Blumengeschäft und ein Modehaus säumen den Obermarkt in seiner nordöstlichsten Ecke. Über die Sattelstraße gelangt man hier schnell zur Ritterstraße.

In der Nr. 18 findet man aktuell das Modehaus der Familie Faustmann und im Haus Nr. 19, in dem früher Döbelner Leseratten Bücher ausleihen konnten, das „Blumenstübchen“ von Angela Schrader.

Im Eckhaus zur Sattelstraße, es trägt die Nr. 1 derselben, betreibt derzeit Nicolas Sihombing seine „KAFFEEkostBAR“. Vor ihm versuchte der Roßweiner Fahrradhändler Hoffmann hier sein Glück. Blickt man etwas weiter zurück, stößt man unweigerlich auf Albin Müllers, dessen Name noch heute über dem Eingang des Geschäfts zu finden ist. Er ließ das Haus in seiner jetzigen Form erbauen und betrieb hier jahrzehntelang ein Geschäft für Modewaren und Damenkonfektion. Auch Teppiche und Linoleum konnte man bei ihm kaufen.

Das Nachbarhaus Obermarkt Nr. 20 kann sich rühmen, Döbelns erstes Kino gewesen zu sein. Am 15. Dezember 1907 knatterte hier erstmals ein Filmvorführgerät. Die Unternehmung nannte sich „Theater lebender Photographien“. Den Begriff Kino gab es noch nicht. Als später mit dem „Central“ und dem „Capital“ in Döbeln große Kinos gebaut werden, wendet man sich am Obermarkt wieder dem Handel zu. Viele Jahre verkaufte der freundliche Herr Hauswald in der Nr. 20 Porzellan und Glaswaren, in der DDR-Zeit eröffnete die HO „Zentral“. In den 1980er Jahren machte man den Laden zu einem „Delikat“. Das waren Einzelhandelsgeschäfte in der DDR, in denen man Lebensmittel des „gehobenen Bedarfs“ kaufen konnte. Die Preise waren gepfeffert, aber für DDR-Bürger ohne Westgeld sind die Läden oft die einzige Möglichkeit, im real existierenden Sozialismus Kostbarkeiten wie eine Dose Ananas oder Pfirsiche zu kaufen. Den passenden Kontrast zur hochpreisigen Delikatware bildet das aktuelle Sortiment des Discounters MÄC-Geiz, der derzeit hier derzeit eine Filiale betreibt. Hier gilt der alte schottische Grundsatz: Gut soll es sein, aber es darf auch nicht viel kosten.

(1) DDR-Tristesse - zwei HO-Geschäfte in den Häusern 20 und 21. Der Putz bröckelt, die Grundfarbe ist grau - und das liegt nicht nur am s/w-Foto. (© www.döbeln.de)
(2) Die Fassaden sind nunmehr etwas farbenfreudiger. Der Schnäppchenmarkt "Mäc-Geiz" und eine "KAFFEEkostBAR" laden zum Besuch ein (Fotos 2024).

(3) Seit ca. 1890 betrieb Albin Müller ein Geschäft, in dem man -interessante Kombination- Damenkonfektion und Linoleum kaufen konnte. Seine Nachfahren finden sich noch im Adressbuch von 1939. In der DDR-Zeit war hier ein HO-Laden für Öfen, Herde und Haushaltswaren untergebracht.
(4) Jahrzehntelang hinter dem HO-Schild versteckt, kann nach der Sanierung des Hauses der Namen Albin Müllers wieder zum Vorschein.

Werbeanzeige aus dem Jahr 1914

Das Haus Obermarkt Nr. 21 gehörte viele Jahrzehnte Bäckermeister Otto Schubert. Es ist eines von lediglich zwei Häusern, die die Nordflanke des Obermarktes bilden. Häuser gibt es an der natürlich noch mehr. Die gehören aber wie das Eckhaus zur Sattelstraße oder zur Marktstraße, die den östlichen mit dem westlichen Teil des Obermarktes verbindet.

Beenden wir unseren Bummel auf dem Obermarkt mit einer Stippvisite an den vier Eckhäusern des zentralen Häuserblockes. Die Nr. 22, das Eckhaus zur Marktstraße, war einmal das „Café Central“, später nannte es sich „Kaffee Ecke“. In der DDR nutzten die Verwaltungsmitarbeiter der Handelskette KONSUM das Haus als Geschäftsstelle. Nach der Wende verfiel es und wurde im August 2014 abgerissen. Die Anwaltskanzlei Kulitzscher & Ettelt erkannte das Potential der traditionsreichen „Ecke“, baute 2015 ein modernes Bürogebäude und zog mit ihrer Döbelner Niederlassung ein.

(1)/ (2) Historische Postkarten - Wenn es irgendwann Wiener Kaffeehaus-Flair in Döbeln gab, dann im Café Jänke, das später in "Café Central" umbenannt wurde.
(3) Werbeanzeige für das "Café Central" aus dem Jahr 1911, hier interessanterweise mit "Z" geschrieben.
(4) Aus dem "Café Central" wurde irgendwann die "Kaffee Ecke" mit angeschlossener Konditorei.
(5) In der DDR von der Handelskette KONSUM als Büro genutzt, verfiel das Haus zusehends.
(6) Nach dem Abriss 2014 entstand ein modernes Gebäude für die Anwaltskanzlei Kulitzscher & Ettelt.

Vorbei am ehemaligen Frisörhaus Besser, das derzeit leer steht, kommen wir zum nächsten Eckhaus, der Nr. 24. Hier betrieb viele Jahre Karl Krebs die bekannteste Literatur-, Kunst-, Musikalien- und Papierhandlung der Region. Er ist einer der Nachfolger Carl Gottlob Schmidts, der 1843 in der Ritterstraße 15 das weithin bekannte Geschäft gegründet hatte. Schmidt, Sohn eines Waldheimer Bäckermeisters, war umtriebig und etablierte organisierte Bücherlesezirkel zur neuesten deutschen Romanliteratur, besorgte auch ausländische Publikationen, gestaltete im Juli 1874 eine Ausstellung von Lehrmitteln, die Interessenten aus Amerika und Russland anzog, war Mitbegründer des Verbands Sächsischer Buchhändler und Mitarbeiter im Leipziger Börsenverein der deutschen Buchhändler. Er betätigte sich als Verleger und gab 1872 die für die Stadtgeschichte grundlegende „Chronik von Döbeln und Umgebung“ von Carl Wilhelm Hingst heraus. Carl Gottlob Schmidt, der viele Jahre auch Döbelner Stadtverordneter war, starb 1893. Das Geschäft wird von Fritz Zocher und dann von Karl Krebs unter dem Namen Schmidts weitergeführt. Nach einer Zwischenstation im Haus Obermarkt Nr. 7 konnte man viele Jahre in der Nr. 24 Bücher kaufen.

Irgendwann reißt die Buchhändlertradition im Haus Nr. 24 ab, den Künsten allerdings bleibt man gewogen. In der Döbelner „Kunststube“ mit ihren einladenden Schaufenstern, warteten fortan Kunstgewerbeartikel, u.a. erzgebirgische Holzschnitzkunst, auf Käufer. Letztere gab es zu DDR-Zeiten oft nur für die „guten“ Kunden als sogenannte „Bückdichware“ aus den Regionen unterhalb des Ladentisches. Untrennbar ist die „Kunststube“ mit dem Namen von Marianne Klopfenstein verbunden, die 49 Jahre hier arbeitete, bis sie 2016 75-jährig das Geschäft schließen musste. Doch die Tradition riss nur kurz ab. Seit 2017 verkauft „Holzkunst Kuhnert“ aus Rothenkirchen im Haus Nr. 24 wieder Pyramiden, Nussknackern und Räuchermännchen aus dem Erzgebirge.

(1)/(2) Historische Ansichtskarten, die jeweils unterschiedliche Ansichten des Gebäudes zeigen. Carl Schmidt hatte seine Buchhandlung in der Ritterstraße betrieben. Nach einem kleinen Intermezzo im Haus Obermarkt Nr. 7 zieht sein Nachfolger Karl Krebs ins Haus Nr. 24. Immer mit dabei - der werbewirksame Name "Carl Schmidts Buch- und Kunsthandlung".
(3) Werbeanzeige der Kunststube aus dem Jahr 1992
(4)/(5) Aktuelle Fotos des Geschäfts. Heute wird hier erzgebirgische Volkskunst verkauft.

Wir wechseln zur Südwestecke des Häuserviertels, zu Haus Nr. 27. Einst gab es dort Brot und Brötchen in der „Mohren“-Bäckerei. Die Geschichte zu diesem Namen kann unter der entsprechenden Abbildung nachgelesen werden.1911 kaufte die Geringswalder Bank drei Hausgrundstücke am Obermarkt, darunter die bekannte Bäckerei. Im Jahre 1912 entstand hier, passend zum neuen Rathaus, ein prächtiger Bau, in dem seit 1913 „größere Brötchen“ gebacken werden. Das repräsentative Bankgebäude beherbergte viele Jahre die Döbelner Niederlassung der die Geringswalder Bank, dann die Dresdner Bank, später die Staatsbank der DDR. Derzeit sind hier die Commerzbank und ein Notar ansässig.

(1) Auf dem Foto der „Mohrenbäckerei“ (um 1900) sind an der Fassade des Hauses die Abbildungen zweier "Mohren" zu sehen. Sie gaben der Bäckerei ihren Namen.
(2) Historische Ansichtskarte von der Gebäudesituation vor 1912.

Ölgemälde von Johann Gottfried Clemen (* 1728 in Döbeln; † 1785 in Paramaribo, Suriname) Quelle: Geische, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Um den Namen "Mohrenbäckerei" zu verstehen, muss man folgende kleine Geschichte kennen:
Im Jahr 1747 begibt sich Johann Gottfried Clemen, der zweite Sohn des Döbelner Tuchmachermeisters Johann Gottlieb Clemen, auf Wanderschaft. Er lässt sich von holländischen Werbern rekrutieren und wird Soldat der Republik der Vereinigten Niederlande. In der Armee macht er schnell Karriere und erreicht den militärischen Dienstgrad eines Hauptmanns. 1750 nimmt er an einer militärischen Strafaktion gegen die einheimische Bevölkerung in Surinam teil, das in der holländischen Kolonie Guyana liegt. Hier lernt er einen reichen deutschen Großgrundbesitzer kennen und wird zum Aufseher seiner Plantagen gemacht. In dieser Funktion lernt er die verwitwete Plantagenbesitzerin Anna Juliën kennen, die er 1763 heiratet. Der bettelarme Döbelner Tuchmachergeselle wurde so ein reicher Plantagen- und Sklavenbesitzer.
Sechsundzwanzig Jahre nachdem er Döbeln verlassen hatte, besuchte er seine alte Heimat. Begleitet von zwei dunkelhäutigen Dienern stieg er am 04. September 1771 aus der Extrapost aus. Schon bald nannte man Clemen den „Krösus von Döbeln“, seine exotischen Diener waren in der verschlafenen Kleinstadt eine Sensation. Nach seiner Abreise lässt sein Bruder in dankbarer Erinnerung an den Besuch zwei "Mohren" an die Fassade seines Hauses malen. Sie erinnern bis 1912 an die unglaubliche Lebensgeschichte Johann Gottfried Clemens.

(3) Nach dem Abriss von drei Häusern war Platz für ein großes, repräsentatives Geschäftshaus, das einen architektonischen Kontrapunkt zum neugebauten Rathaus setzte. Das im Reformstil der Zeit erbaute Gebäude beeindruckt durch seine dorischen Säulen und Balustraden sowie den figürlichen Schmuck des Portals.
(4) Werbeanzeige der Geringswalder Bank aus dem Jahr 1914
(5) Detailaufnahme Hauptportal

(6) Das Gebäude ist noch heute das repräsentativste Haus des Obermarktes - nach dem Rathaus natürlich.

Die Nr. 28 ist das Eckhaus zur Marktstraße gegenüber dem Rathaus. Hier betrieb früher Walter Hoppe eine Wäschenäherei. Im Unterschied zur repräsentativen Nummer 27 nahm sich das Haus früher etwas dürftig aus. Es erinnerte an das alte Döbeln vor seiner industriellen Boomzeit.

Auf den beiden Postkarten ist das als Haus Obermarkt Nr. 28 gut zu sehen. Für die Fotografen der Postkarten war es eher Beiwerk.

Das in den 1990er Jahren neu erbaute Eckhaus Nr. 28 lehnt sich in Größe und Anmutung an seinen historischen Nachbarn an.

Nach der Wende musste das baufällige Haus abgerissen werden und man errichtete einen modernen "Zwilling" der Nummer 27, der sich besser in die Häuserflucht einfügt. Lange fand man hier die Redaktion der „Döbelner Allgemeinen Zeitung“. Aktuell hat ein Bundestagsabgeordneter sein Bürgerbüro im Haus und eine Physiotherapeutin hilft Döbelnern mit Massagen, die eine oder andere Verkrampfung wieder loszuwerden.

Der kleine Rundgang über den Obermarkt sollte die wechselvolle Geschichte der -ich glaube, wir übertreiben nicht- „guten Stube“ Döbelns verdeutlichen. Es gab viel zu erzählen. Wer jetzt etwas erschöpft ist, könnte sich im Biergarten gleich neben dem Haus Obermarkt 28 niederlassen. Der wird aktuell vom Hotel „Bavaria“ betrieben. Bei einem kühlen Bierchen könnte man nochmal den Blick über den Obermarkt schweifen lassen. Unsere Postkarten und die Fotos zu diesem Artikel zeigen: Noch nie war der so schön, wie heute.

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V. (04.04.2024)

Quellen:
Heruth, Gerhard: Döbeln und seine Einkaufsmeile. Mitgliederinformation "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V. Nr. 48, Mai 2015. URL: http://www.doebeln-entdecken.de/doebeln/einkaufsmeile.php (25.03.2024)
Dettmer, Jürgen: Döbelns Apotheken. In: Döbelner Mosaik 2016. Beucha 2016. S. 148-166
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 81ff.
Adressbücher Döbelns aus den Jahren 1884, 1888, 1891, 1893, 1896, 1898, 1900, 1908, 1914, 1925, 1939

Bildnachweis:
Werbeanzeige Kunststube - ETRO-Verlag für Wirtschaftswerbung (Hg.): Döbeln mit ausführlicher Stadtchronik und wichtigen Informationen der Stadt Döbeln. Niesetal/Kassel 1992, S. 51
Alle Abbildungen ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.

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