Baumriesen

Entdeckungen im tausendjährigen Döbeln

In und um Döbeln herum wachsen uralte Bäume und auch einige exotische Gehölze.

Unsere Zeit rast. Was heute modern ist, gilt morgen schon als veraltet. Digitalisierung, Globalisierung, Flexibilität – die Infektionszahlen steigen, der Dax fällt. Wer mithalten will, bleibt ständig online: Facebook, TicToc, Instagram. Wir hetzen durch den Alltag, oft atemlos, manchmal gedankenlos. In stillen Momenten spüren wir das. Dann suchen wir eine Pause, sehnen uns nach Ruhe – und finden sie oft in der Natur. Ein Spaziergang durch den Park oder Wald beruhigt. Hier zeigt sich: Es gibt Orte, die der Hektik trotzen. Eine Gegenwelt, unberührt vom Tempo unserer Zeit. Den Bäumen ist es gleich, welche Krisen uns plagen. Viele Generationen von Menschen sahen sie kommen und gehen – gelassene Ruhe, Blätterrauschen.

Bäume faszinieren. Sie haben Geschichten, Schicksale – wie wir. Seit jeher erkennt der Mensch in ihnen ein Symbol seiner Existenz. Mythen und Legenden erzählen davon.

Werfen wir einen Blick auf Döbeln und seine Umgebung. Welche ehrwürdigen Baumriesen gibt es hier? Manche von ihnen wachsen an versteckten Orten, anderen begegnen wir mitten in der Stadt.

1937 erschien Reinhold Herrmanns "Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln".

Vor einiger Zeit habe ich einige dieser alten Bäume besucht, vermessen und fotografiert. Vielleicht fragen Sie sich, wie ich auf diese Idee kam. Beim Stöbern im Internet stieß ich auf ein antiquarisches Heft eines ehemaligen Lehrers meiner Schule. Dr. Reinhold Herrmann lebte von 1886 bis 1953. Er war als Naturschutzbeauftragter der damaligen Amtshauptmannschaft Döbeln und als Chronist der Döbelner Stadtgeschichte bekannt. Nach dem Krieg kümmerte er sich um den Wiederaufbau des Stadtmuseums.

1937 veröffentlichte Herrmann das „Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln“. Ich kaufte die kleine Rarität und kaum hatte ich das Heftchen aus dem Briefkasten gefischt, begann ich zu lesen. Als Liebhaber alter Bäume und der Döbelner Geschichte war ich begeistert. Immer wieder fragte ich mich: Gibt es die Bäume, die Herrmann 1937 beschrieb, noch? Oder fielen sie dem Zahn der Zeit, der Säge eifriger Forstarbeiter oder der Stadtplanung zum Opfer? Es blieb nur, nachzusehen. Nun lade ich Sie ein, mich auf einem bebilderten Spaziergang zu den Baumriesen unserer Region zu begleiten.

Aueneiche bei Hermsdorf 1937 (Foto: Reinhold Herrmann)

Beginnen wir mit einem wahren Giganten: der Aueneiche in Hermsdorf. Man findet sie, wenn man, aus Sörmitz kommend Richtung Hermsdorf läuft, die Brücke über den Bielbach überquert und dann nach circa 50 Metern nicht der Straße weiter folgt, sondern auf einem Feldweg geradeaus läuft. Nach weiteren 50 Metern ragt die mächtige Stieleiche auf. Geadelt mit dem gelben Schild „Naturdenkmal“, misst ihr Stamm 6,70 Meter im Umfang. Ihr Alter wird auf über 300 Jahre geschätzt. Sie steht auf Privatgrund und ist mit einer Höhe und einem Kronendurchmesser von jeweils etwa 27 Metern der ganze Stolz ihrer Besitzer.

Die Aueneiche, ihr Name verrät es, stammt aus einer Zeit, als unsere Region noch von dichten Wäldern bedeckt war. Vor zweihundert Jahren war die Döbelner Landschaft, auch die Lommatzscher und Mügelner Pflege, ziemlich waldreich. Reinhold Herrmann maß 1937 einen Stammumfang von 5 Metern. Bis 2017 wuchs dieser auf 6,70 Meter – ein Zuwachs von 1,70 Metern in 80 Jahren. Die Aueneiche gedeiht prächtig.

Aueneiche in Hermsdorf

Auch im Döbelner Stadtgebiet stehen beeindruckende Eichen. Die Friedhöfe, von unseren Vorfahren für die Ewigkeit angelegt, boten ihnen jahrzehntelang Schutz. Auf dem Oberfriedhof, der 1972 in einen Park umgestaltet wurde, wächst eine etwa 200 Jahre alte Eiche mit einem Stammumfang von 4,20 Metern. Auf dem Niederfriedhof steht oberhalb der Trauerkapelle eine ähnlich alte Eiche mit 4,23 Metern Umfang. Neben der Turnhalle im Bärental (1) wachsen drei stattliche Eichen mit Umfängen von 4,33 Metern, 3,33 Metern und 3,18 Metern. Ursprünglich waren es vier Bäume, die 1844 gepflanzt wurden und den Kinderturnplatz hinter der Bachschänke säumten. Später dienten sie als Kulisse für das 1889 errichtete Bormanndenkmal, das an den Turnlehrer Adolf Bormann erinnert, der das Turnen in Döbeln populär machte. Der Turnplatz und das Denkmal verschwanden, die Eichen blieben.

v.l.n.r.: Eichen auf dem Ober-, den Niederfriedhof und neben der Turnhalle im Bärental

Die vier Eichen, die man 1883 zum 400. Geburtstag Luthers neben der Nicolaikirche pflanzte, erwiesen sich als nicht ganz so standhaft. Der ehemalige Kirchhof wurde in Lutherplatz umbenannt, und Zigarrenfabrikant Robisch stiftete vier Eichen aus den Lutherstädten Eisleben, Eisenach, Erfurt und Wittenberg. Bis 2014 überlebten zwei der ursprünglichen Bäume. Bei Tiefbauarbeiten erlitt eine im Wurzelbereich so starke Schäden, dass sie gefällt werden musste. Die letzte der vier Eichen steht noch heute auf dem Lutherplatz, umgeben von drei neu gepflanzten Bäumchen.

Letzte verbliebende Luther-Eiche von 1883 auf den Lutherplatz neben der Nicolaikirche.

Wer sie betrachtet, spürt die besondere Aura alter Eichen. Sie verkörpern mythologisch den Archetyp des Männlichen. Der Ausdruck „Stark wie eine Eiche“ verdeutlicht, dass dieser Baum mit Stärke, Härte und Standhaftigkeit verbunden wird. Dank ihrer Pfahlwurzel verankern sich Eichen tief im Erdreich und erhalten auch bei Trockenheit genug Wasser. Sie gelten in Zeiten des Klimawandels als Überlebenskünstler. In der germanischen Mythologie bewohnt der Gott Donar die Eiche. Die Germanen glaubten, Blitz und Donner entstünden immer dann, wenn Donar mit seinem Hammer auf die Erde schlägt, um die Lebensgeister der Natur und die Fruchtbarkeit der Felder zu wecken. Unser Wochentag Donnerstag erinnert noch heute an den Namen des grimmigen Eichengottes.

Auch die Ziescheiche in Westewitz-Hochweitzschen hätte Donar gefallen. Sie ist wohl die älteste Eiche in der Döbelner Region und wird auf 500 Jahre geschätzt. Man findet den imposanten Baum, wenn man in Hochweitzschen in die kleine Straße „Am Bäckerberg“ einbiegt, die nach Höckendorf führt. Hinter dem Friedhof zweigt rechts ein Feldweg ab, und nach etwa 30 Metern steht man vor dem gewaltigen Baum, benannt nach dem nahegelegenen Zieschbach, der sich Richtung Mulde schlängelt. Der Baumriese hat einen Stammdurchmesser von 6,35 Metern, ist 19 Meter hoch und seine Krone misst 13 Meter im Durchmesser. Schon 1978 erkannte ihn der damalige Rat des Kreises als Naturdenkmal an.

Ziescheiche in Westewitz-Hochweitzschen

Der Ziescheiche sieht man ihr Alter an. Sie wirkt knorrig und schroff. Risse, Löcher und abgestorbene Äste in der Krone zeugen von Stürmen und Blitzeinschlägen. Der Volksmund rät ja bei Gewitter: „Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen.“ Darauf sollte man nicht vertrauen. Laut der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald werden nicht bestimmte Baumarten seltener getroffen, sondern der Blitzschlag zeigt sich an den Bäumen unterschiedlich. Die dicke, zerklüftete Borke der Eiche saugt Wasser wie ein Schwamm auf und wird so sehr empfänglich für elektrische Entladungen. Die glatte Buchenrinde leitet den Blitz direkt in den Boden, ohne sichtbare Schäden am Baum selbst. In beiden Fällen bleibt die Gefahr für Schutzsuchende gleich groß. Bei Gewitter auf freiem Feld sollte man sich in einer Mulde hinhocken und die Füße dicht beieinander halten (2). Herrmann vermutete übrigens, dass die Ziescheiche als Grenzbaum zwischen Westewitz, Höckendorf und Möckwitz diente. Vielleicht überlebte sie deshalb so lange und entging der Axt.

Die sagenumwobenen Linden

Neben Grenzbäumen wurden auch Höhenbäume besonders gepflegt. Sie markierten wichtige Wegkreuze und Straßenschnittpunkte, waren weithin sichtbar und halfen im Winter, bei Schneeverwehungen den Straßenverlauf zu erkennen. Herrmann beklagt in seinem Baumbuch: „Leider ist die Sitte unserer Vorfahren, unter solchen Höhenbäumen Ruhebänke aufzustellen, wo der Wanderer und Arbeitsmann seine Last niederlegen und vom ermüdenden Aufstieg sich ausruhen oder wo der Spaziergänger rasten kann, um den weiten Blick über die Heimat im Abendsonnenscheine zu genießen, in der nüchternen Zeit, die hinter uns liegt, vielerorts verloren gegangen.“ (3)

Doch zumindest die Linde am Weg zur Butterbüchse (4) widerlegt ihn. Neben der berühmten Linde steht eine Sitzgruppe, die zum Verweilen einlädt. Hier kreuzen sich der Weg vom Döbelner Krematorium nach Ebersbach und der vom Stadtgut Greußnig nach Neudorf. Die Sommerlinde wirkt auf den ersten Blick nicht alt, wurde aber einst stark zurückgeschnitten. Nur der untere Stamm, mit einem Umfang von 5,45 Metern, verrät ihr Alter von etwa 300 Jahren. Sie zählt zu den ältesten Linden Döbelns. Etwa 100 Meter unterhalb, Richtung Krematorium, steht eine Winterlinde, umgeben von jüngeren Eichen. Ihr Stammumfang wuchs von 4,25 Metern, gemessen von Herrmann, auf inzwischen 5,70 Meter. Beide Bäume sind bereits im Oberreitschen Atlas von 1839/40 verzeichnet, dem Topographischen Atlas des Königreichs Sachsen. Die Sommerlinde wird dort als „Greußniger Linde“ geführt. 1923 verlor sie bei einem Sturm ihre Krone. Beide Bäume litten unter Stammfäule, wurden aber 1931 durch den Rat der Stadt Döbeln, den Landesverein Sächsischer Heimatschutz und den Verein für Naturfreunde mit Sektion Vogelschutz zu Döbeln instand gesetzt und erhalten.

"Greußniger Linde", Die Sommerlinde fungiert als Höhenbaum an der Kreuzung zweier Feldwege.

Winterlinde unterhalb der Höhe am Weg zur sog. Butterbüchse 2020 und 1937 (Foto: Reinhold Herrmann)

Die alten Linden an der Butterbüchse wurden 1931 liebevoll gehegt, eine andere Linde wird in diesem Jahr neu gepflanzt. Es ist die sogenannte Kneiß-Linde im Döbelner Bürgergarten. Hermann Kneiß, der als Pächter das Gelände mit großem Einsatz gestaltete, hatte sich jahrelang mit der Stadt über die Kündigung seines Pachtvertrags gestritten. Zu seinem 80. Geburtstag legte man den Streit bei. Auf Vorschlag des Verschönerungsvereins schenkte die Stadt Kneiß eine Ruhebank an seinem Lieblingsplatz, und die Stadtverwaltung pflanzte eine Linde, die fortan seinen Namen trug. Kneiß, der als Gründervater des Bürgergartens gilt, starb 1938. Die ihm gewidmete Linde steht noch heute und hat mit einem Stammumfang von 3,50 Metern beachtliche Größe erreicht.

Die Linde gilt seit jeher als sagenumwobener Baum. Früher sahen die Menschen in der Natur, besonders in Bäumen, gute oder böse Kräfte. Sie glaubten an eine Wesensverwandtschaft von Linde und Drachen, abgeleitet von der unerschöpflichen Lebenskraft der Linde. Der Volksmund sagt: „300 Jahre kommt sie, 300 Jahre steht sie, 300 Jahre geht sie.“ Auch die Greußniger Linde scheint unsterblich. Sie überstand Blitzeinschläge und Sturmschäden, trieb immer wieder neu aus. Wie ein Drache, dem stets neue Köpfe wachsen, triumphiert sie über die Naturgewalten. Kein Wunder, dass sich das Wort „subtil“ vom lateinischen „sub tilia“ – unter der Linde – ableitet.

Kneiß-Linde im Döbelner Bürgergarten, Zum 150. Geburtstag wurde Kneiß gleich neben der Linde eine Bank gestiftet.

Auch in der am Niederrhein entstandenen Nibelungensage tauchen die Motive vom Drachen und der Linde auf. Siegfried tötet einen Drachen, der abwechselnd 90 Jahre unter der Erde, in der Wüste und in einer Linde lebte. Durch das Bad im Drachenblut erlangt Siegfried Unverwundbarkeit. Jedoch wird ihm ein Lindenblatt, das dabei an seinem Rücken zwischen den Schulterblättern haften bleibt, zum Verhängnis. Genau auf diese Stelle zielt der heimtückische Hagen und versetzt Siegfried einen tödlichen Stoß.

Die Germanen verehrten die Linde als heiligen Baum der Göttin Freya, die für Liebe, Glück, Fruchtbarkeit und den Schutz des Hauses stand. Mit der Christianisierung übernahm Maria diese Rolle. Der Missionar Bonifatius ließ an heidnischen Kultstätten Marienlinden pflanzen. Im Gegensatz zur Eiche galt die Linde stets als Symbol des Weiblichen.

"Ziegers Linde" 1937 (Foto: Reinhold Herrmann)

Von dieser Tradition ließ sich wohl auch der Döbelner Landwirtschaftsrat Dr. Albert Reuter inspirieren. Am 30. Mai 1930 pflanzte er anlässlich des Muttertags zu Ehren seiner Frau eine „Mutterlinde“ vor dem Schulgebäude der Landwirtschaftsschule in den Klostergärten. Der Baum steht dort bis heute. Linden sind weiterhin beliebt – nicht nur wegen ihrer heilenden, schmerzlindernden Blüten. Sie galten auch als Schutz für Haus und Hof, sollten Blitze und böse Geister abwehren. Wer eine Linde fällte, riskierte Unglück für die Familie.

Vielleicht erklärt das, warum „Ziegers Linde“ in den Geleitshäusern bei Dreißig so lange überlebte. Seit etwa 370 Jahren wächst sie in einem Garten an der Landstraße zwischen Lüttewitz und Meila. Die Winterlinde beeindruckt mit einem Stammumfang von 6,50 Metern, einer Krone von 15 Metern Durchmesser und einer Höhe von 20 Metern. Seit der Vermessung durch Herrmann im Jahr 1937 hat ihr Stammumfang um einen Meter zugenommen. Der mächtige Baum steht in einem gepflegten Vorgarten eines sanierten Dreiseitenhofs und wirkt kerngesund. Den „Uhu“, der die Linde als Naturdenkmal ausweist, hat sich „Ziegers Linde“ redlich verdient. Seit der Eingemeindung Mochaus 2016 gilt sie als älteste und größte Linde in Döbeln.

„Ziegers Linde“ in den zur Ortschaft Dreißig gehörenden Geleitshäusern

Ulmen beweisen Zähigkeit

Die älteste Ulme Döbelns steht in Ebersbach, direkt vor der Einfahrt zum Hof des Ritterguts. Ihr Stamm misst beeindruckende vier Meter im Umfang, was auf ein Alter von etwa 250 Jahren schließen lässt. Wie „Ziegers Linde“ scheint die Flatterulme den Eingang des Guts zu bewachen. In Deutschland, mehr noch in Schweden, war die Ulme ein typischer Hofbaum. Sie galt als Schutzbaum und hielt nach mythologischen Ansichten böse Geister fern. In ihren Ästen sollen Feen wohnen, die die Welt der Menschen mit der Tier- und Pflanzenwelt verbinden.

Hoffen wir, dass das Rittergut Ebersbach nach Jahren des Verfalls wiederbelebt wird. Geplant ist, dort bis zu 22 Familien ein Zuhause zu schaffen – eine Wohneigentümergemeinschaft auf dem Berg, umgeben von historischem Flair und einem zum Gut gehörenden Park. In diesem wachsen weitere Ulmen, die bisher vom deutschlandweiten Ulmensterben verschont blieben. Verursacht wird es durch Schlauchpilze der Gattung Ophiostoma, die der Ulmensplintkäfer verbreitet. Dass die Ebersbacher Ulmen noch gesund sind, ist ein glücklicher Umstand und zeigt, dass die antike Symbolik der Ulme kein schlechtes Omen sein muss. Einst stand sie für Würde, Tod und Trauer. In ihr hatte der Götterbote Hermes seinen Sitz, der die Seelen der Verstorbenen vor den Weltenrichter führte.

Ulme vor der Einfahrt zum Rittergut Ebersbach

In der nordischen Schöpfungssage glaubte man, der Mensch stamme von Bäumen ab. Nach dem Untergang der Weltenesche Yggdrasil und der großen Flut trieben Esche und Ulme – Askr und Embla – an den Strand. Die Götter hauchten den Baumstämmen Leben ein und schufen so Mann und Frau.

Buchen und Pappeln für Park und Allee

Im Gegensatz zur Ulme war die Buche einer der häufigsten Bäume Nordeuropas. Seit der Eiszeit bedeckte sie weite Flächen und verdrängte mit ihrer Lebenskraft mühelos andere Arten. Sie steht für Stärke und Vitalität, aber auch für Weisheit, Klarheit und Heiligkeit. Bei den Germanen galt die Buche als Baum der Göttin Frigg, der Gemahlin Odins, die Leben schenkte und die Ehe beschützte. Buchenwälder waren heilige Orte. Im Rauschen der Blätter glaubten die Weisen, die Stimmen der Götter zu hören. Ihre Botschaften ritzten sie in die Rinde oder in Buchenstäbe – daher stammt unser Wort „Buchstabe“.

Für Kelten und Germanen war die Buche ein nützlicher Baum. Ihre Bucheckern, in denen 45 Prozent Öl enthalten ist, boten nahrhafte Kost und dienten als Schweinefutter. Schweine galten als Lieblingstiere der Erdgöttin. Erst später wurde die Buche zum Symbol für Armut und Not, weil sie keine süßen Früchte trägt.

Wer in der Döbelner Region nach eindrucksvollen Buchen sucht, wird schnell fündig. Eine steht mitten in der Stadt. Am Körnerplatz wachsen in den Grünanlagen zwei Blutbuchen. Die größere, gegenüber der Körnerplatzschule, hat einen Stammumfang von 3,45 Metern und dürfte etwa 150 Jahre alt sein. Vermutlich wurde sie bei der Neugestaltung des Platzes gepflanzt. 1890 riss man dort wegen eines geplanten Schulneubaus neun Scheunen ab. Döbeln erlebte damals einen Aufschwung, und das schmutzige Gewerbeviertel sollte einem bürgerlichen Wohnquartier weichen. Grünanlagen mit auffälligen Gehölzen wie Blutbuchen und ihre tiefroten Blätter gehörten dazu.

Blutbuche in den Grünanlagen des Körnerplatzes

Eine Ansammlung besonderer Gehölze hatte Carl Leonhard Marschall von Bieberstein, kursächsischer und königlich polnischer Generalpostmeister, sicher auch im Blick, als er den Chorener Park bepflanzen ließ. Choren, seit 2016 Teil von Döbeln, besitzt ein Schloss, das 1755 nach Plänen von Samuel Locke im Stil des Dresdner Rokoko erbaut wurde. Im Schlosspark stehen zwei prächtige Buchen. Auf einem Plateau neben dem Schloss wächst eine Blutbuche mit einem Stammumfang von 3,63 Metern, ebenfalls etwa 150 Jahre alt. Daneben steht eine Hänge-Buche, auch Trauer-Buche genannt, eine botanische Rarität. Neben der Blutbuche ist sie die bekannteste Zierform der Rotbuche. Der stattliche Baum mit einem Stammumfang von 3,45 Metern wurde zu DDR-Zeiten „Zuckertütenbaum“ genannt, als das Chorener Schloss noch als Schule genutzt wurde. Viele Chorener erinnern sich an die leuchtenden Augen der Erstklässler, die ihre Zuckertüten am Baum fanden. Die Geschichte, dass die Tüten über Nacht an der Hänge-Buche gewachsen seien, glaubten nur wenige. Eine schöne Legende ist es trotzdem.

Blutbuche im Chorener Park

Hängebuche im Chorener Park

Von Höhen- und Grenzbäumen war bereits die Rede. Ein häufig anzutreffender Alleebaum ist die Pappel. In Herrmanns Bestandsaufnahme alter Bäume beschreibt er weithin sichtbare Pappeln in Pommlitz. Dort und an der Schicke, einer Straße Richtung Zschackwitz, hatte man zahlreiche Zitter- und Schwarzpappeln als Alleebäume gepflanzt. Ein besonders stattliches Exemplar steht etwa 100 Meter hinter Pommlitz an der Straße nach Zschaitz. Mit einem Stammumfang von 4 Metern beeindruckt es. Diese Pappel ist die letzte Überlebende einer Allee, die laut Herrmann 1863 gepflanzt wurde. Fast 160 Jahre wacht sie nun an der Schicke, einst umgeben vom „Pommelholz“, einem dichten Wald, der bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Landschaft prägte.

Schwarzpappel an der Straße von Pommlitz nach Zschaitz

Wahre Raritäten

Bisher berichteten wir von Eichen, Linden, Ulmen, Buchen und Pappeln, weit verbreiteten Laubbäumen. Gibt es auch exotischere? Natürlich. Döbeln beherbergt einige botanische Raritäten unter seinen Baumriesen.
Wer mit dem Zug nach Döbeln kommt, sieht am Hauptbahnhof nicht nur ein Empfangsgebäude im Stil des Historismus. In der Nähe, wo früher die Deutsche Post und heute ein Fahrradgeschäft untergebracht ist, wächst eine gewaltige Morgenländische Platane. Ihr Stammumfang von 4,55 Metern lässt auf ein Alter von etwa 170 Jahren schließen. Da der Hauptbahnhof 1868 eröffnet wurde, könnte die Platane in diesem Zusammenhang gepflanzt worden sein. Der repräsentative Bahnhof schmückt sich mit einem repräsentativen Zierbaum.

In letzter Zeit pflanzte man in Döbeln immer wieder Platanen. An der Richard-Köberlin-Straße im Gewerbegebiet Döbeln-Ost wachsen sie ebenso wie am Fußweg von der Schiffsbrücke in Sörmitz zur Thielestraße. Vielleicht erleben wir in Döbeln bald Pariser Verhältnisse, wo mittlerweile 40 Prozent der Straßenbäume Platanen sind. Die Platane gilt als idealer Stadtbaum: robust und unempfindlich gegenüber Abgasen. Die Mutter aller Döbelner Platanen steht am Hauptbahnhof und hat mit ihrer buntgescheckten Borke schon viele Züge ankommen und abfahren sehen.

Morgenländische Platane in der Nähe des Döbelner Hauptbahnhofs

Gersdorfer Edelkastanie 1937 (Foto: Reinhold Herrmann)

Nur wenige Schritte von der Platane entfernt, steht auf einer Grünfläche nahe des neuen Kreisverkehrs eine Edelkastanie, auch Esskastanie genannt. Mit einem Stammumfang von 1,75 Metern ist sie zwar kein Riese, aber erwähnenswert, da Edelkastanien in Döbeln selten sind. Einige Exemplare findet man noch in einem Waldstück nahe Hermsdorf, oberhalb der Freiberger Mulde und der Bahnstrecke Döbeln-Meißen. Wer die älteste Edelkastanie Sachsens sehen will, muss nicht weit fahren. Sie steht in Gersdorf bei Roßwein und wird auf 350 bis 500 Jahre geschätzt. Ihr atemberaubender Stammumfang beträgt 9,60 Meter. Schon 1937 wurde sie als einer der ersten Bäume Sachsens zum Naturdenkmal erklärt. Der stolze Baum ist heute größtenteils abgestorben, doch ein grüner Seitenast trotzt seit Jahren dem Verfall.

Edelkastanie in der Nähe des Kreisverkehrs am Döbelner Hauptbahnhof und, deutlich älter, das Exemplar im Schloßpark Gersdorf.

Im Bürgergarten wachsen weitere exotische Bäume. Eine Amerikanische Gleditschie, auch Lederhülsenbaum genannt, mit einem Stammumfang von 2,54 Metern, beschattet den „Lautenspieler“ von Otto Rost. Am Stamm sprießen Büschel starker Dornen, die bis zu 30 Zentimeter lang werden. Diese Dornen sind spitz, hart und wehrhaft. Vögel, die hier nisten, brauchen Nesträuber nicht zu fürchten. Neben dem Lederhülsenbaum recken sich zwei Ginkgos zum Licht. Der aus China stammende Baum ist heute weltweit in Parks und Gärten verbreitet. Goethe schrieb ein Gedicht über den Ginkgo und machte ihn in Deutschland berühmt. Zur modernen Mythenbildung trug die Geschichte des Tempelbaumes in Hiroshima bei, der 1945 bei der Atombombenexplosion in Flammen aufging, aber im selben Jahr wieder austrieb. Neben den beiden Ginkgos im Bürgergarten steht ein stattliches Exemplar im Schulpark des Lessing-Gymnasiums, wohl der älteste Ginkgo Döbelns.

Amerikanische Gleditschie, auch Lederhülsenbaum genannt, im Döbelner Bürgergarten

Sicher verdienen noch weitere Bäume Döbelns eine Vorstellung. Doch es ging nicht um Vollständigkeit. Es sollte deutlich werden, dass Döbeln und seine Umgebung viel zu bieten haben. Döbeln ist eine Einkaufsstadt, ein kulturelles Zentrum und reich an Naturdenkmälern, die - mit oder ohne „Uhu“ - einen Besuch lohnen. Sie zeigen, dass wir in einer alten Kulturlandschaft leben. Immer wieder stellt sich die Frage, ob wir genug tun, um die Natur in ihrer Vielfalt und Schönheit zu bewahren. Die Baumriesen unserer Region sind ein kostbares Erbe, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Dieser Anspruch sollte Allgemeingültigkeit erlangen. Wir müssen dem Naturschutz mehr Bedeutung beimessen. Derzeit gelingt es uns nicht, die Welt in einem besseren Zustand an unsere Kinder zu übergeben. Arten sterben, Regenwälder brennen, Landschaften werden zersiedelt, und Pestizide vergiften Felder. Unsere Baumriesen sind beeindruckende Schönheiten, aber sie erinnern uns auch wehmütig an Zeiten, in denen Schwalbenschwänze zahlreich über Wiesen flatterten, Lerchen am Himmel jubilierten und in der Mulde Lachse schwammen. Wir müssen mehr für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen tun, damit unsere Kinder und Enkel die faszinierenden Wunder der Natur noch bestaunen können.

Michael Höhme
"Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.
16.11.2020

Quellen:
Herrmann, Reinhold: Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln. Dresden 1937

Erläuterungen/Zitate:
(1) früher "Birntal", später mundartlich verschliffen "Berntal", heute als "Bärental" bekannt
(2) vgl. Schützen Buchen vor Gewitter? https://www.wissen.de/schuetzen-buchen-vor-gewitter (14.11.2020)
(3) Reinhold Herrmann, Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln. Dresden 1937, S. 4
(4) „Butterbüchse“ ist nach Emil Reinhold ein Flurname mit zwei möglichen Erklärungen: Der Name ist einerseits abgeleitet von butten – außen und andererseits bezeichnet er die früher hier befindlichen Hagebuttensträucher.



























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