Baumriesen

Entdeckungen im tausendjährigen Döbeln

In und um Döbeln herum wachsen uralte Bäume und auch einige exotische Gehölze.

Unsere Zeit ist schnelllebig. Was heute „up to date“ ist, kann morgen schon wieder „Schnee von gestern“ sein. Digitalisierung, Globalisierung, Flexibilisierung – die Infektionszahlen steigen, der Dax fällt – wer etwas auf sich hält, ist Dauer-Online bei Facebook, Twitter, Instagram und Co. – wir sind mit enormem Tempo unterwegs, atemlos, nicht selten gedankenlos und in stillen Momenten merken wir das auch. Dann nehmen wir uns eine Auszeit, suchen inneren Frieden und finden diesen nicht selten in der Natur. Der Spaziergang durch einen Park oder Wald beruhigt uns, zeigt sich hier doch, dass es Lebensbereiche gibt, an denen das schnelle Tempo abzuprallen scheint – eine Gegenwelt, völlig unberührt von der Hektik unserer Zeit. Den Bäumen des Waldes ist es egal, welche kleinen und großen Krisen wir gerade durchstehen müssen. Viele Generationen von Menschen sahen sie kommen und gehen – gelassene Ruhe, Blätterrauschen.

Bäume sind mitunter faszinierende „Persönlichkeiten“. Sie haben eine Geschichte, ein Schicksal wie wir. Schon immer hat der Mensch im Baum ein Symbol seiner eigenen Existenz erkannt, was Mythen und Legenden eindrucksvoll belegen.

Schauen wir uns doch in unserer Heimatstadt Döbeln und der näheren Umgebung etwas um. Welche ehrwürdigen Baumriesen gibt es hier zu bestaunen? Manche von ihnen wachsen an versteckten Orten, anderen begegnen wir mitten in der Stadt.

1937 erschien Reinhold Herrmanns "Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln".

Ich habe in den letzten Monaten einige dieser alten Bäume aufgesucht, habe sie vermessen und fotografiert. Sie werden sich sicher fragen, wie man auf so eine Idee kommt. Bei einer Suche im Internet stieß ich kürzlich zufällig auf ein antiquarisches Heftchen eines ehemaligen Lehrers meiner Schule. Dr. Reinhold Herrmann lebte von 1886 bis 1953. Er war als Naturschutzbeauftragter der damaligen Amtshauptmannschaft Döbeln und als Chronist der Döbelner Stadtgeschichte bekannt. Nach dem Krieg kümmerte er sich um den Wiederaufbau des Stadtmuseums.

1937 publizierte Herrmann ein „Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln“. Die kleine Rarität war schnell gekauft und kaum hatte ich das Heftchen aus dem Briefkasten gefischt, begann ich zu lesen. Da ich durchaus einen Faible für alte Bäume und die Döbelner Stadtgeschichte gleichermaßen habe, war es eine spannende Lektüre und natürlich stellte sich mir immer wieder die Frage, ob es die von Herrmann 1937 beschriebenen Bäume noch gibt oder ob sie mittlerweile dem Zahn der Zeit oder der Säge eifriger Forstarbeiter oder Stadtplaner zum Opfer gefallen sind. Es half nur nachsehen. Hier nun kann der geneigte Leser mich auf einem kleinen bebilderten Spaziergang zu Baumriesen unserer Region begleiten.

Beginnen wir mit einem wahren Giganten - der Aueneiche in Hermsdorf. Man findet sie, wenn man, aus Sörmitz kommend Richtung Hermsdorf läuft, die Brücke über den Bielbach überquert und dann nach ca. 50 Metern nicht der Straße weiter folgt, sondern auf einem Feldweg geradeaus läuft. Nach weiteren 50 Metern sieht man schon die gewaltige Stieleiche, die, geadelt mit dem gelben Schild „Naturdenkmal“, einen Stammumfang von 6,70 Metern hat. Ihr Alter wird auf über 300 Jahre geschätzt. Sie steht auf einem Privatgrundstück und ist mit einer Höhe und einem Kronendurchmesser von jeweils ca. 27 Metern der ganze Stolz ihrer Besitzer.

Die Aueneiche, der Name weist darauf hin, stammt aus einer Zeit, in der unsere Region noch von dichten Wäldern geprägt war. Vor zweihundert Jahren war die Döbelner Landschaft, aber auch die Lommatzscher und Mügelner Pflege vor allem in den südlichen Tälern ziemlich waldreich. Reinhold Herrmann vermaß 1937 einen Stammumfang von 5 Meter. 2017 war der schon auf 6,70m angewachsen. 1,70m Zuwachs in 80 Jahren – gar nicht schlecht. Die Aueneiche wächst und gedeiht.

Aueneiche in Hermsdorf

Auch im Döbelner Stadtgebiet gibt es große Eichen. Die Friedhöfe der Stadt, von unseren Vorfahren für die Ewigkeit angelegt, boten ihnen viele Jahrzehnte Schutz. Auf dem Oberfriedhof, der 1972 geschlossen und zu einem Park umgestaltet wurde, wächst eine Eiche mit einem Stammumfang von 4,20m, die ca. 200 Jahre alt ist. Auf dem Niederfriedhof findet man oberhalb der Trauerkapelle, ähnlich im Alter, eine Eiche mit einem Stammumfang von 4,23m. Auch neben der Turnhalle im Bärental (1) wachsen drei stattliche Eichen (Stammumfang 4,33m / 3,33m / 3,18m). Ehemals waren es vier Bäume, die -1844 gepflanzt- den städtischen Kinderturnplatz hinter der Bachschänke säumten. Später nutzte man die Eichen als Kulisse für das 1889 errichtet Bormanndenkmal. Der Sandsteinobelisk wurde zu Ehren des Turnlehrers Adolf Bormann errichtet, der das Turnen in Döbeln populär machte. Der Kinderturnplatz und Denkmal kamen abhanden, die Eichen stehen noch.

v.l.n.r.: Eichen auf dem Ober-, den Niederfriedhof und neben der Turnhalle im Bärental

Ganz so standhaft waren die vier Eichen, die man 1883 anlässlich der Feierlichkeiten zum 400. Geburtstag Luthers neben der Nicolaikirche pflanzte, nicht. Der ehemalige Kirchhof wurde in Lutherplatz umbenannt und Zigarrenfabrikant Robisch spendete vier Eichen, die man aus den Lutherstädten Eisleben, Eisenach, Erfurt und Wittenberg bezog. Bis 2014 hatten sich zwei der ursprünglichen Eichen erhalten. Bei Tiefbauarbeiten wurde eine aber so schwer im Wurzelbereich geschädigt, dass Sie gefällt werden musste. Die letzte der vier Eichen steht noch heute auf dem Lutherplatz und hat Gesellschaft von drei neugepflanzten Bäumchen erhalten.

Letzte verbliebende Luther-Eiche von 1883 auf den Lutherplatz neben der Nicolaikirche.

Wer sich in ihren Anblick vertieft, merkt, dass alte Eichen eine eigene Aura haben. Sie verkörpern mythologisch den Archetyp des Männlichen. Der Ausspruch „Stark wie eine Eiche“ ist schon fast ein geflügeltes Wort und macht deutlich, dass die Eiche mit Stärke, Härte und Standhaftigkeit verbunden wird. Dank einer Pfahlwurzel ist sie tief im Erdreich verankert. Deshalb bekommt sie auch in Zeiten mangelnder Niederschläge genug Wasser. Eichen gelten in Zeiten des Klimawandels als Überlebenskünstler. In der germanischen Mythologie bewohnt der Gott Donar die Eiche. Die Germanen glaubten, dass Blitz und Donner immer dann entstehen, wenn Donas mit seinem Hammer auf die Erde schlägt, um die Lebensgeister der Natur und die Fruchtbarkeit der Felder zu wecken. Unser Wochentag Donnerstag erinnert noch heute an den Namen des grimmigen Eichengottes.

Der hätte auch an der Ziescheiche in Westewitz-Hochweitzschen seine Freude gehabt. Sie ist wohl die älteste Eiche in der Döbelner Region. Ihr Alter wird auf 500 Jahre geschätzt. Man findet den stattlichen Baum, wenn man in Hochweitzschen in die kleine Straße „Am Bäckerberg“ einbiegt, die Richtung Höckendorf führt. Gleich hinter dem Friedhof geht rechts von der Straße ein Feldweg ab und nach ca. 30 Metern steht man vor dem gewaltigen Baum, der nach dem kleinen Zieschbach benannt wurde, der sich ganz in der Nähe Richtung Mulde schlängelt. Der Baumriese hat einen Stammdurchmesser von 6,35m. Er ist 19 Meter hoch und seine Krone hat einen Durchmesser von 13 Metern. Schon 1978 wurde er vom damaligen Rat des Kreises als Naturdenkmal anerkannt.

Ziescheiche in Westewitz-Hochweitzschen

Der Ziescheiche sieht man ihr Alter an. Sie wirkt knorrig und schroff. Risse, Löcher und abgestorbene Äste in der Krone zeugen von Stürmen und so manchem Blitzeinschlag. Der Volksmund empfiehlt ja bei Gewitter: „Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen.“ Darauf sollte man nicht wirklich bauen. Glaubt man der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, ist es nicht so, dass manche Baumarten seltener getroffen werden, sondern der Blitzschlag wird unterschiedlich sichtbar. Die dicke, zerklüftete Borke der Eiche saugt das Wasser wie ein Schwamm auf und wird so sehr empfänglich für die elektrische Entladung. Die glatte Buchenrinde dagegen leitet den Blitz direkt in den Boden, ohne dass sichtbare Schäden entstehen. In beiden Fällen ist jedoch die Gefahr für den Schutzsuchenden gleich groß. Bei Gewitter auf freiem Feld sollte man sich, möglichst in einer Mulde, hinhocken und die Füße dicht beieinander lassen (2). Herrmann glaubt übrigens, dass die Ziescheiche als Grenzbaum zwischen Westewitz, Höckendorf und Möckwitz fungierte. Vielleicht hat sie deshalb so lange überlebt und fiel nicht der Axt zum Opfer.

Neben Grenzbäumen wurden auch Höhenbäume besonders gepflegt. Sie hatten eine Funktion, kennzeichneten wichtige Wegkreuze und Straßenschnittpunkte, waren von weithin sichtbar und stellten im Winter sicher, dass man bei Schneeverwehungen wusste, wo der Verlauf der Straße ist. In seinem Baumbuch moniert Herrmann: „Leider ist die Sitte unserer Vorfahren, unter solchen Höhenbäumen Ruhebänke aufzustellen, wo der Wanderer und Arbeitsmann seine Last niederlegen und vom ermüdenden Aufstieg sich ausruhen oder wo der Spaziergänger rasten kann, um den weiten Blick über die Heimat im Abendsonnenscheine zu genießen, in der nüchternen Zeit, die hinter uns liegt, vielerorts verloren gegangen.“ (3)

Zumindest was die Linde am Weg zur Butterbüchse (4) betrifft, hat er Unrecht. Hier steht gleich neben einer berühmten Linde eine Sitzgruppe, auf der man verweilen kann. An dem Höhenbaum treffen sich der Weg vom Döbelner Krematorium nach Ebersbach und der Weg von Stadtgut Greußnig nach Neudorf. Der Sommerlinde sieht man ihr Alter auf den ersten Blick nicht an. Sie wurde irgendwann recht grundsätzlich zurückgeschnitten. Nur noch am unteren Stamm, der 5,45m Umfang misst, erkennt man, dass hier mit ca. 300 Jahren eine der ältesten Linden der Stadt Döbeln wächst. Ungefähr 100 Meter unterhalb der Höhe Richtung Krematorium steht, umgeben von jüngeren Eichen, eine Winterlinde, die bei der Vermessung durch Herrmann einen Stammumfang von 4,25m hatte. Der ist auf mittlerweile 5,70m angewachsen. Beide Bäume waren schon im Topographischen Atlas des Königreichs Sachsen, dem sog. Oberreitschen Atlas, von 1839/40 verzeichnet. Der noch heute existierende Höhenbaum wird hier als „Greußniger Linde“ bezeichnet. Bei einem Sturm im Jahr 1923 hatte der Baum in exponierter Lage seine Krone verloren. Beide Bäume waren durch Stammfäulnis bedroht und wurden 1931 auf gemeinsame Kosten des Rates der Stadt Döbeln, des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz und des Vereins für Naturfreunde mit Sektion Vogelschutz zu Döbeln instand gesetzt und erhalten.

"Greußniger Linde", Die Sommerlinde fungiert als Höhenbaum an der Kreuzung zweier Feldwege.

Winterlinde unterhalb der Höhe am Weg zur sog. Butterbüchse 2020 und 1937 (Foto: Reinhold Herrmann)

Die alten Linden an der Butterbüchse wurden 1931 liebevoll gehegt, eine andere Linde wird in diesem Jahr neu gepflanzt. Es ist die sog. Kneiß-Linde im Döbelner Bürgergarten. Hermann Kneiß hatte als Pächter dort Pionierarbeit geleistet und mit viel persönlichem Engagement das Areal zu dem gemacht, was es jetzt ist. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Stadt wegen der Kündigung des Pachtvertrages begräbt man 1931 zu seinem 80. Geburtstag das Kriegsbeil. Auf Vorschlag des Verschönerungsvereins stiftet man Kneiß im Bürgergarten an seinem Lieblingsplatz eine Ruhebank. Die Stadtverwaltung pflanzt eine Linde, die fortan als „Kneiß-Linde“ bezeichnet wird. Kneiß stirbt am 28. Januar 1938. Er kann als Gründervater des Döbelner Bürgergartens bezeichnet werden und die ihm zu Ehren gepflanzte Linde steht noch heute. Mit einem Stammumfang von 3,50m ist sie zu einem großen Baum herangewachsen.

Die Linde ist ein sagenumwobener Baum. Die Menschen früherer Zeiten empfanden die Natur und insbesondere die Bäume als von guten oder bösen Kräften beseelt, glaubten an die Wesensgleichheit von Linde und Drachen. Diese Idee leitete man von der unerschöpflichen Lebenskraft der Linde ab, von der der Volksmund sagt: „300 Jahre kommt sie, 300 Jahre steht sie, 300 Jahre geht sie.“ Auch die Greußniger Linde scheint unsterblich. Blitzeinschläge und gewaltige Sturmschäden überdauerte sie, trieb immer wieder neu aus. Dem „Drachen“ wuchsen also immer wieder neue Köpfe – ein Triumpf der Flora über die rohe Naturgewalt. Kein Wunder also, dass sich das Wort „subtil“ vom lateinischen „sub tilia“ (unter der Linde) herleitet.

Kneiß-Linde im Döbelner Bürgergarten, Zum 150. Geburtstag wurde Kneiß gleich neben der Linde eine Bank gestiftet.

Auch in der am Niederrhein entstandenen Nibelungensage tauchen die Motive vom Drachen und der Linde auf. Siegfried tötet einen Drachen, der jeweils 90 Jahre unter der Erde, in der Wüste und in einer Linde lebte. Durch das Bad im Drachenblut erlangte Siegfried Unverwundbarkeit. Jedoch wurde ihm ein Lindenblatt, das an seinem Rücken zwischen den Schulterblättern haften geblieben war, zum Verhängnis. Genau auf diese Stelle zielte der heimtückische Hagen und versetzte Siegfried einen tödlichen Stoß.

Schon die Germanen verehrten die Linde als der Göttin Freya geweihten Baum. Sie war die germanische Göttin der Liebe, des Glücks, der Fruchtbarkeit und des guten Hausstandes. Später in der Zeit der Christianisierung übernahm Maria ihren Platz. Von Bonifatius stammt die Idee an den heiligen Plätzen der germanischen Bevölkerung Marienlinden zu pflanzen. Im Gegensatz zur Eiche wurde die Linde schon immer mit Weiblichkeit assoziiert. Davon ließ sich sicher auch der Döbelner Landwirtschaftsrat Dr. Albert Reuter leiten, als er am 30.05.1930 anlässlich des Muttertages zu Ehren seiner Frau eine „Mutterlinde“ vor dem Schulgebäude der Landwirtschaftsschule in den Klostergärten pflanzte, die dort noch heute zu finden ist.
Bis zum heutigen Tag erfreut sich die Linde großer Beliebtheit und wird wegen seiner heilenden, Schmerzen „lindernden“ Blüten geschätzt. Die Bäume galten außerdem auch als Schutzsymbol für Haus und Hof, sollten böse Geister und Blitze fernhalten. Linden durften nicht gefällt werden, um die Familie vor Unglück zu bewahren.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb „Ziegers Linde“ in den zur Ortschaft Dreißig gehörenden Geleitshäusern so lange überdauerte. Seit ca. 370 Jahren wächst sie in einem Garten direkt an der Landstraße zwischen Lüttewitz und Meila. Die Winterlinde hat mit einem Stammumfang von 6,50m, einem Kronendurchmesser von 15m und einer geschätzten Höhe von 20 Metern stattliche Ausmaße. Seit der Vermessung durch Herrmann im Jahr 1937 ist ihr Stammumfang um einen Meter gewachsen. Der riesige Baum steht in einem gepflegten Vorgarten eines liebevoll sanierten Dreiseitenhofes und macht einen sehr gesunden Eindruck. Den „Uhu“, der die Linde als Naturdenkmal ausweist, hat sich „Ziegers Linde“ redlich verdient. Seit der Eingemeindung Mochaus 2016 ist sie die älteste und größte Linde Döbelns.

„Ziegers Linde“ in den zur Ortschaft Dreißig gehörenden Geleitshäusern

Die älteste Ulme Döbelns steht in Ebersbach unmittelbar vor der Einfahrt in den Hof des Rittergutes. Ihr Stammumfang beträgt immerhin 4m, was ein Alter von ca. 250 Jahren vermuten lässt. Wie „Ziegers Linde“ scheint die Flatterulme über den Eingang des Gutes zu wachen. In Deutschland, mehr noch in Schweden, war die Ulme ein häufiger Hofbaum. Sie galten als Schutzbäume und halten nach mythologischen Ansichten böse Geister fern. In ihnen wohnen Feen und sie verbinden die Welt der Menschen mit der Tier- und Pflanzenwelt.

Hoffen wir, dass im Rittergut Ebersbach nach Jahren des Niedergangs wieder Leben einzieht. Der Komplex soll für bis zu 22 Familien ein Zuhause werden – eine Wohneigentümergemeinschaft oben auf dem Berg, in historischem Ambiente und mit einem zum Gut gehörenden Park. In dem wachsen weitere Ulmen, die -ein glücklicher Umstand- noch nicht vom deutschlandweiten Ulmensterben betroffen sind. Das wird durch Schlauchpilze der Gattung Ophiostoma verursacht und durch Ulmensplintkäfer verbreitet. Dass die Ebersbacher Ulmen noch nicht befallen sind, ist ein glücklicher Umstand und zeigt, dass die antike Symbolik der Ulme kein schlechtes Omen sein muss. Damals stand sie für Würde, Tod und Trauer. In ihr hatte der Götterbote Hermes seinen Sitz, der die Seelen der Verstorbenen vor den Weltenrichter führte.

Ulme vor der Einfahrt zum Rittergut Ebersbach

In der nordischen Weltentstehungssaga glaubte man, dass der Mensch von den Bäumen abstammt. Nach dem Untergang der Weltenesche Yggdrasil und der großen Flut waren es Askr und Embla, Esche und Ulme, die als Treibgut an den Strand gespült wurden. Die Götter hauchten beiden Baumstämmen neues Leben ein – die Geburtsstunde von Mann und Frau.

Im Gegensatz zur Ulme war die Buche einer der am weitesten verbreiteten Bäume in Nordeuropa. Seit der Eiszeit bedeckte sie weite Flächen und verdrängte mit ihrer großen Lebenskraft mühelos jede Konkurrenz. So steht die Buche für Stärke und Kraft. Doch auch mit Vitalität, Weisheit, Wissensvermittlung, Klarheit, Heiligkeit und Glauben wird sie in Verbindung gebracht.

Bei den Germanen war die Buche der Baum der Göttin Frigg, der Gemahlin Odins, Trägerin des Lebens und Beschützerin der Ehe. Die Buchenwälder waren heilige Orte. Im Rauschen der Blätter vermeinten die Weisen das Raunen der Götter zu vernehmen. Und was die Götter verkündeten, das ritzten sie mit Runen in die Rinde der Buche oder in Buchenstäbe. Darauf ist unser Wort Buchstabe zurückzuführen.

Die Buche galt den Kelten und Germanen als nützlicher Baum. Bucheckern enthalten bis zu 45 Prozent Öl und sind damit sehr nahrhaft. Zudem sind sie leicht zu sammeln und leckeres Futter für Schweine, die Lieblingstiere der Erdgöttin. Erst später galt die Buche als Symbol für Armut und Not, weil sie keine süßen Früchte trägt.

Sucht man nun in der Döbelner Region eindrucksvolle Buchen, wird man schnell fündig. Eine steht mitten in der Stadt. Umgeben von vielbefahrenen Straßen wachsen in den Grünanlagen des Körnerplatzes zwei Blutbuchen. Die größere von beiden, direkt gegenüber der Körnerplatzschule hat einen Stammumfang von 3,45 m, was auf ein Alter von ca. 150 Jahren schließen lässt. Man kann davon ausgehen, dass sie mit der Neugestaltung des Körnerplatzes gepflanzt wurden. 1890 wurden auf dem Niederscheunenplan neun Scheunen wegen eines geplanten Schulneubaus abgerissen. Döbeln boomte in dieser Zeit und das triste und schmutzige Gewerbeviertel sollte zu einem gutbürgerlichen Wohnquartier weiterentwickelt werden. Grünanlagen gehörten natürlich dazu. In denen sollten Gehölze wachsen, die einen gewissen Schauwert aufwiesen, wie Blutbuchen mit ihren tiefroten Blättern.

Blutbuche in den Grünanlagen des Körnerplatzes

Eine Ansammlung besonderer Gehölze hatte man sicher auch im Blick, als man den Chorener Park bepflanzte. Choren, ebenfalls mit der Eingemeindung Mochaus 2016 Döbeln zugeschlagen, besitzt ein Schloss, das 1755 nach Entwürfen von Samuel Locke im Stil des Dresdner Rokoko erbaut wurde. Im Schlosspark kann man zwei prächtige Buchen bewundern. Auf einem Plateau gleich neben dem Schloss findet man eine Blutbuche mit einem Stammumfang von 3,63m, was ein Alter von ca. 150 Jahren vermuten lässt. Gleich daneben wächst eine Hänge-Buche, auch Trauer-Buche genannt, die man durchaus als besondere botanische Rarität bezeichnen kann. Sie ist neben der Blutbuche die bekannteste Zierform der Rotbuche. Der stattliche Baum mit einem Stammumfang von 3,45m wurde zu DDR-Zeiten, in der man das Chorener Schloss als Schule nutzte, „Zuckertütenbaum“ genannt. Viele Chorener erinnern sich noch an die leuchtenden Augen der zukünftigen Erstklässler, als sie zum Schulanfang ihre Zuckertüte am Baum hängen sahen. Die Geschichte, dass diese Zuckertüten an der Hänge-Buche über Nacht gewachsen wären, glaubten nur die wenigsten. Trotzdem war es eine schöne Geschichte.

Blutbuche im Chorener Park

Hängebuche im Chorener Park

Von Höhen- und Grenzbäumen war schon die Rede. Ein häufig anzutreffender Alleebaum war die Pappel. In Herrmanns Bestandsaufnahme alter Bäume werden auch weithin sichtbare Pappeln in Pommlitz beschrieben. Hier und an der Schicke, einer Straße Richtung Zschackwitz, hatte man zahlreiche Zitter- und Schwarzpappeln als Alleebäume gepflanzt. Ein besonders stattliches Exemplar hat sich ca. 100m hinter Pommlitz an der Straße Richtung Zschaitz erhalten. Mit 4 Meter Stammumfang hat sie beachtliche Ausmaße. Sie ist die letzte Überlebende einer Pappelallee, die laut Herrmann 1863 gepflanzt wurde. Fast 160 Jahre nun schon wacht sie an der Schicke, anfangs noch umgeben vom „Pommelholz“, einem dichten Wald, der hier bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Landschaft prägte.

Schwarzpappel an der Straße von Pommlitz nach Zschaitz

Bisher berichteten wir von Eichen, Linden, Ulmen, Buchen und Pappeln. Das sind hierzulande weit verbreitete Laubbäume. Geht es denn auch ein wenig exotischer? Natürlich. Döbeln hat einige botanische Raritäten unter seinen Baumriesen.

Wer sich mit dem Zug der Muldenstadt nähert, wird am Hauptbahnhof nicht nur von einem Empfangsgebäude im Stil des Historismus empfangen, das für den Historiker Rolf-Ulrich Kunze „eines der schönsten deutschen Bahnhofsgebäude überhaupt“ ist. In unmittelbarer Nähe, dort wo früher die Deutsche Post und heute ein Fahrradgeschäft untergebracht ist, wächst eine gewaltige Morgenländische Platane. Ihr Stammumfang von 4,55m lässt ein Alter von ca. 170 Jahren vermuten. Wenn man bedenkt, dass der Hauptbahnhof 1868 eröffnet wurde, könnte es also sein, dass die Platane in diesem Zusammenhang gepflanzt wurde. Der repräsentative Bahnhof umgibt sich mit einem repräsentativen Zierbaum.

In letzter Zeit wurden in Döbeln immer wieder Platanen gepflanzt. An der Richard-Köberlin-Straße im Gewerbegebiet Döbeln-Ost wachsen sie genauso wie am Fußweg von der Schiffsbrücke in Sörmitz zur Thielestraße. Vielleicht haben wir ja irgendwann auch in Döbeln Pariser Verhältnisse. Hier sind mittlerweile 40% der Straßenbäume Platanen. Die Platane gilt als idealer Stadtbaum. Sie ist robust und Abgase scheinen ihr verhältnismäßig wenig anzuhaben. Die Mutter aller Döbelner Platanen jedenfalls steht am Döbelner Hauptbahnhof und hat mit ihrer buntgescheckten Borke schon viele Züge ankommen und abfahren sehen.

Morgenländische Platane in der Nähe des Döbelner Hauptbahnhofs

Nur ein paar Schritte von der Platane entfernt, steht auf einer Grünfläche in der Nähe des neu gebauten Kreisverkehrs eine Edelkastanie, auch Esskastanie genannt. Sie ist zwar mit 1,75m Stammumfang kein Riese, aber wir erwähnen sie, weil Edelkastanien so häufig in Döbeln nicht vorkommen. Einige Exemplare von ihnen findet man noch in einem Waldstück nahe Hermsdorf, das sich oberhalb der Freiberger Mulde und der Bahnstrecke Döbeln-Meißen erstreckt. Wer die älteste Edelkastanie Sachsens besichtigen will, braucht nicht allzu weit zu fahren. Sie steht in Gersdorf bei Roßwein. Ihr Alter wird auf 350 bis 500 Jahre geschätzt. Sie hat einen atemberaubenden Stammumfang von 9,60m. Schon 1937 wurde sie als einer der ersten Bäume Sachsen als Naturdenkmal ausgewiesen. Der stolze Baum ist zum großen Teil schon abgestorben, ein grüner Seitenast allerdings widersetzt sich seit vielen Jahren schon dem Verfall.

Edelkastanie in der Nähe des Kreisverkehrs am Döbelner Hauptbahnhof und, deutlich älter, das Exemplar im Schloßpark Gersdorf.

Weitere exotische Bäume wachsen im Bürgergarten. Eine Amerikanische Gleditschie, auch Lederhülsenbaum genannt, mit 2,54m Stammumfang beschattet den „Lautenspieler“ von Otto Rost. Am ganzen Stamm bilden sich Büschel von starken Dornen, die bis zu 30cm lang werden. Diese Dornen sind sehr spitz, hart und wehrhaft. Vögel, die auf diesem Baum ihr Nest bauen, brauchen Nesträuber nicht zu fürchten. Gleich neben dem Lederhülsenbaum strecken sich zwei Ginkgos zum Licht. Der aus China stammende Baum ist mittlerweile besonders in Parkanlagen und Gärten weltweit verbreitet. Goethe schrieb ein Gedicht über den Baum und machte ihn so in Deutschland berühmt. Zur modernen Mythenbildung trug die Geschichte des Tempelbaumes in Hiroshima bei, der bei der Atombombenexplosion 1945 in Flammen aufging, aber im selben Jahr wieder austrieb und weiterlebte. Neben den beiden Ginkgos im Bürgergarten gibt es noch ein stattliches Exemplar im Schulpark des Lessing-Gymnasiums. Er ist wohl der älteste Ginkgo Döbelns.

Amerikanische Gleditschie, auch Lederhülsenbaum genannt, im Döbelner Bürgergarten

Sicher hätten es noch weitere Bäume Döbelns verdient, hier vorgestellt zu werden. Aber es ging nicht um Vollständigkeit. Deutlich werden sollte, dass die Stadt Döbeln und ihre Umgebung wirklich viel zu bieten hat. Döbeln ist eine Einkaufsstadt, ein kulturelles Zentrum, aber eben auch eine Stadt, die reich ist an Naturdenkmälern, die -mit oder ohne „Uhu“- einen Besuch lohnen und die zeigen, dass wir in einer alten Kulturlandschaft leben. Immer wieder stellt sich die Frage, ob wir genügend dafür tun, dass die Natur in ihrer Vielfalt und Schönheit erhalten bleibt. Die Baumriesen unserer Region sind ein kostbares Erbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde. Dieser Anspruch sollte Allgemeingültigkeit erlangen. Wir müssen dem Naturschutz einen höheren Stellenwert einräumen. Im Moment schaffen wir es nicht, die Welt in einem besseren Zustand an unsere Kinder zu übergeben. Arten sterben, Regenwälder brennen, Landschaften werden zersiedelt und Felder durch Pestizide vergiftet. Unsere Baumriesen sind beeindruckende Schönheiten, aber sie erinnern uns auch wehmütig an Zeiten, in denen Schwalbenschwänze noch zahlreich über die Wiesen flatterten, Lerchen noch am Himmel jubilierten und man in der Mulde noch Lachse fangen konnte. Wir müssen mehr für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen tun, wenn wir möchten, dass unsere Kinder und Enkel die faszinierenden Wunder der Natur noch bestaunen können.

Michael Höhme
"Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.
16.11.2020

Quellen/Erläuterungen:
(1) früher "Birntal", später mundartlich verschliffen "Berntal", heute als "Bärental" bekannt
(2) Reinhold Herrmann, Baumbuch der Amtshauptmannschaft Döbeln. Dresden 1937, S. 4
(3) https://www.wissen.de/schuetzen-buchen-vor-gewitter (14.11.2020)
(4) „Butterbüchse“ ist nach Emil Reinhold ein Flurname mit zwei möglichen Erklärungen: Der Name ist einerseits abgeleitet von butten – außen und andererseits bezeichnet er die früher hier befindlichen Hagebuttensträucher.




























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