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Pianofortefabrik F.W.Werner

  • Der Firmengründer Friedrich Wilhelm Werner wurde am 18. Februar 1819 in Heyda bei Döbeln in bescheidenen Verhältnissen geboren. Schon als Schüler begeisterte er sich für Musik und hatte großes Interesse daran, das Klavierspielen zu erlernen, was ihm seine Eltern jedoch nicht ermöglich konnten. Nach einer in Döbeln abgeschlossenen Lehre als Tischler ging er nach Dresden und entschied sich bewusst für die Arbeit in einer Pianoforte-Fabrik.
  • 1845 kehrte er nach Döbeln zurück und baute unter schwierigen Verhältnissen eine kleine Klavierbau-Werkstatt auf. Schnell fand Werner für seine solide und fleißige Arbeit Anerkennung. Die "Deutsche Gewerbezeitung und Sächsisches Gewerbe-Blatt" schrieb 1849: "Döbeln: Besonders bemerkenswerth […] waren noch ein Pianoforte vom Instrumentmacher Werner alhier, englischer Konstruktion und allen Anfordrungen genügend, welche man an ein tafelförmiges Instrument machen kann. Im Innern und Aeußern war es solid und kunstvoll gearbeitet, mit starkem Anschlage und einem Tone, dessen Charakter kräftig und gesangreich genannt zu werden verdient. Im Piano war der Diskant den feinsten Silberglöckchen gleich. (Preis 195 Thlr.)"
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  • Das Geschäft entwickelte sich so gut, dass Werner in den 1850er Jahren in einem Hinterhof am Niedermarkt 19 eine kleine Pianoforte-Fabrik einrichteten konnte.
  • Am 16. Juni 1875 wurde das 1000. Instrument gefertigt. Die Klaviere verkaufte man bis nach Chile und Madeira.
  • Die drei Söhne Werners starben früh, seine Töchter heirateten in andere Familien ein. Deshalb verkaufte Werner seine Firma 1880 an den Dresdener Kaufmann Johannes Everth, der die Geschäfte in gewohnter Weise weiterführte. Werner setzte sich zur Ruhe und zog in die Döbelner Albertstraße.
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  • 1891 zog das Unternehmen in ein prachtvolles Geschäftshaus an der Königstraße (heute Straße des Friedens). Das war für damalige Verhältnisse modern ausgestattet, es gab einen Fahrstuhl und eine Zentralheizung.
  • Um 1900 baute man jährlich ca. 100 Pianos bester und einfachster Ausstattung, die man im "Musiksaal" des repräsentativen Hauses anbot. Neben eigenen Instrumenten verkaufte man hier auch Klaviere anderer Hersteller, z.B. von Bechstein aus Berlin.
  • Everth führte die Firma solide weiter, setzte aber auch auf Innovationen. So ließ er sich eine Spannvorrichtung am Resonanzboden patentieren, die die Schwingfähigkeit des Instruments und damit den Klang verbesserte. Rund um das Patent gab es eine Auseinandersetzung mit seinem Stimmer und Vorarbeiter Albert Noch, der die Idee für sich beanspruchte. Der Streit ging zugunsten Everths aus.
  • Insgesamt scheint der neue Inhaber ein fürsorglicher Arbeitgeber gewesen zu sein. 1985 überraschten die Anstellten ihren Chef zum 50. Geschäfts-Jubiläum mit Geschenken. Neben einer als Aquarell-Malerei ausgeführten Gedenktafel bekam Everths auch eine Büste König Alberts überreicht. Die Feier gestaltete sich weihevoll. Choräle erklangen, die Sachsenhymne wurde gesungen und eine feierliche Ansprache gab es auch. Danach begaben sich die drei ältesten Arbeiter zu dem in der Albertstraße wohnenden Firmengründer F.W. Werner und überbrachten die Glückwünsche der ganzen Belegschaft. F. W. Werner starb am 11. April 1900.
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Klavier der Döbelner Pianoforte-Fabrik F.W. Werner. Die kunstvollen Intarsien machten die Instrumente der Firma auch zu repräsentativen Möbelstücken.

  • Die Firma baute um 1900 Pianos, Flügel und Harmoniums, die in Musikerkreisen einen sehr guten Ruf genossen. Mehrfach wurde sie mit goldenen und silbernen Staats- und Ausstellungsmedaillen für ihre Instrumente ausgezeichnet. In einem Kommentar zur "Ausstellung von Wohnungseinrichtungen im Gewerbehaus zu Dresden" im Jahr 1893 schrieb man: "In der speziell Döbelner Halle werden unsere Blicke gefesselt durch die geschmackvolle Ausstellung der Pianoforte-Fabrik von F. W. Werner. Die Gegenstände - drei Pianinos in Schwarz und vier in Nußbaum - sind nicht etwa sogenannte Ausstellung-Instrumente, sondern solche, wie wir sie stets im Magazin dieser Firma gesehen haben. Wir können dies vom praktischen Standpunkte aus nur mit Freude begrüßen. Die Ausstattung ist durchweg elegant, wenngleich das eine schwarze Piano durch seine Gravirungen mit bunter Malerei etwas zu überladen erscheint. Die Arbeit an jedem Stück ist innen und außen tadellos. Ein voller, sonorer Ton bewährt den guten Ruf der nun 48 Jahre bestehenden Firma aufs Neue. … Auch die an sämmtlichen Werner'schen Instrumenten angebrachte, patentirte Spann-Vorrichtung an den Resonanzböden, wodurch die Schwingungsfähigkeit des Bodens bedeutend erhöht wird, erregte die Aufmerksamkeit."
  • Vornehmlich verkaufte Johannes Everth seine Instrumente, Miete und Tausch eines Flügels waren auch möglich. Des Weiteren handelte die Firma mit Elektrischen Pianos und Musikwerken der Popper & Co. GmbH Leipzig.
  • Am 1. Januar 1906 beging Evert sein 25-jähriges Jubiläum als Inhaber der Pianoforte-Fabrik. Einige Arbeiter waren der Firma besonders treu, so der Pianofortebauer Heinrich Wilhelm, der 1907 sein 50-jähriges Arbeitsjubiläum feierte.
  • Als Johannes Everth am 3. März 1911 starb, wurde seine Witwe Laura Elisabeth Everth Inhaberin. Auch wenn der Erste Weltkrieg als krisenhafte Zeit in die Firmengeschichte einging, bleibt die Erfolgsbilanz doch beeindruckend. Man hatte bis dahin ca. 5000 Instrumente hergestellt.
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  • In den Döbelner Adreßbüchern ist die Pianoforte-Fabrik 1925 noch nachweisbar, ab 1930 wurde "Werner" als "Musikwerke und Pianohandlung" geführt. Laura Elisabeth Evert und ein Kurt Kaufmann werden als Inhaber genannt.
  • Seit den 1940er Jahren wird das Fabrikgebäude auch für Wohnzwecke genutzt. Die Umbauten sind eher provisorischer Natur, was auch in den nachfolgenden Jahrzehnten so bleibt.
  • Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die Musikhandlung noch. 1948 wurden drei Beschäftigte genannt. Aus dem Jahr 1954 ist ein Antrag an den Gewerbeausschuss der Stadt erhalten, in dem die Fa. F.W. Werner, die sich mit dem An- und Verkauf sowie dem Verleih von gebrauchten Pianos, Harmoniums, Flügeln und anderen Musikinstrumenten befasste, von Arno auf Bertha Everth übertragen werden soll. Danach verliert sich die Spur.
  • 1994 kaufen ein Rosenheimer Anwalt und seine Frau das Haus. Sie sanierten das Gebäude grundhaft und mit viel Fingerspitzengefühl. Nunmehr bot es Platz für vierzehn Wohnungen und eine Arztpraxis im Erdgeschoss. Das denkmalgeschützte ehemalige Fabrikgebäude ist eines der schönsten Häuser Döbelns. Die Firmenwerbung "F.W. Werner - Pianoforte-Fabrik - Inh. Johannes Everth" wurde, gut leserlich, an der Fassade belassen.

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.

Quellen:
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 92
Zeitschrift für Instrumentenbau (1880 – 1943)
Gocht, Dieter: Friedrich Wilhelm Werner - Pianofabrik in Döbeln/Sa., 1845 – 1912. URL: https://www.dieter-gocht.de/chroniken/chroniken-w-z/werner-friedrich-wilhelm/ (07.04.2025)

Bildnachweis:
Werbeanzeige 1910 - Schwender, Carl Clemens: Döbeln in Sachsen in Wort und Bild. Döbeln 1910
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Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.