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Metall- und Lackwarenfabrik Johannes Großfuß

Produkte der Firma Johannes Großfuß
  • Mit der Gründung einer kleinen Fabrik in der Sörmitzer Straße führt der Chemnitzer Kaufmann Johannes Großfuß 1869 in Döbeln die Blechwarenfabrikation ein.
  • 1875 wird der Unternehmenssitz in den Westen der Stadt an die Kleinbauchlitzer Straße (heute Grimmaische Straße) verlegt. Auf dem Burgstadel wächst die Firma. Zwischen der heutigen Grimmaischen Straße, der Burgstraße und der Reichensteinstraße werden zahlreiche Fabrikgebäude errichtet.
  • Unter dem Namen "Metall- und Lackwarenfabrik Johannes Großfuß" werden "feine lackierte Wirtschaftsartikel wie Vogelkäfige, Ofenschirme und Kohlenkästen in prachtvoller Ausführung, bessere Haus und Küchengeräte, Waschtische, Bidets" hergestellt.
  • Am 24. August 1910 kommt es zu einem Brand in der Fabrik. Der entstandene Schaden wird auf 300 000 Mark geschätzt.
Briefkopf der Metallwarenfabrik Johannes Großfuß Döbeln 1913
  • Als der Firmengründer Johannes Großfuß 1915 mit 72 Jahren stirbt, wird sein Sohn Curt Großfuß als letzter Spross der Familie alleiniger Inhaber. Dessen Bruder Johannes war am 01. Mai 1907 im Alter von 29 Jahren verstorben.
  • Curt Großfuß errichtet 1918 eine Stiftung für Beamte und Arbeiter der Firma in Höhe von 50 000 Mark.
Briefkopf der Firma aus dem Jahr 1933
Briefkopf der Firma aus dem Jahr 1934 (Quelle: Stadtarchiv Döbeln)
Maschinengewehr MG 42 (Urheber: Phanatic, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
  • 1937 erhielt die Firma vom Heereswaffenamt als eines von drei Unternehmen den Auftrag zur Weiterentwicklung des MG 34.
  • Ingenieur Werner Gruner entwarf mehrere Versuchsmodelle als MG 39.
  • Vom Modell 39/41 wurden rund 1500 Stück zur Erprobung gefertigt und eine nochmals verbesserte Variante dann als MG 42 eingeführt und zum Teil von Großfuß produziert.
  • Die Produktionsstätte in Döbeln befindet sich in einem Komplex, dessen Kopfgebäude, der "Rotunda-Bau", 1937/38 nach einem Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis ganz im Stil der Bauhaus-Industriearchitektur ausgeführt wird.
  • Für die Entwicklung des MG 42 erhält Dr. Ing. Werner Gruner das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse.
  • Seit 1939 unterhält die Firma eine Betriebsstätte im Zuchthaus Waldheim. Unter der Anleitung eines Werksführers und mehrerer Maschinenführer produzieren ca. 100 Häftlinge für Großfuss.

Für den repräsentativen Rundbau an der Ecke Grimmaische Straße/Greinerstraße erstellt der Architekt Wilhelm Kreis 1937/38 einen Entwurf ganz im Stil der Bauhaus-Industriearchitektur. Kreis (1873- 1955) ist ein bedeutender deutscher Architekt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er wirkt als Direktor der Kunstgewerbeschule Düsseldorf sowie als Hochschullehrer an den Kunstakademien in Düsseldorf und Dresden. Von ihm stammen namhafte Bauen und Entwürfe (z.B. Hygienemuseum Dresden, Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle S., Rheinhalle -heutige Tonhalle- in Düsseldorf). Vor Ort beaufsichtigt wird der Bau in Döbeln vom Waldheimer Architekt Arthur Wenzel, ausgeführt hat ihn die Döbelner Baufirma Karl und Richard Gessner.

Briefkopf der Firma aus dem Jahr 1939 (Quelle: Stadtarchiv Döbeln)
  • 1942 errichtet die Firma einen Fabrikneubau zur Produktion des Maschinengewehrs 42 und der Maschinenpistole 45. Als Arbeitskräfte beschäftigt man 447, zeitweise sogar 528, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.
Grabstelle der Familie Großfuß auf dem Döbelner Niederfriedhof
  • 1944 erhält Dr. Werner Gruner bei einer Zusammenkunft der Betriebsführer und Betriebsobmänner der sächsischen Musterbetriebe und Kriegsmusterbetriebe in Dresden vom Gauleiter den "Silbernen Dr.-Fritz-Todt-Preis".
  • Die Firma geht 1945 unter dem Namen VEB Metallbau (VEB MEBA) in Volkseigentum über. Zunächst werden kleine Haushaltsgegenstände hergestellt, später Ersatzteile für Landwirtschaftsmaschinen, Medikamentenschränke, Dreiräder, Roller und Spielzeugautos.
  • Im Oktober1946 wird der Chefkonstrukteur der Firma Großfuß, Dr. Ing. Werner Gruner, genötigt, in die Sowjetunion überzusiedeln. Sein Wissen als Rüstungsexperte soll hier genutzt werden.
  • Am 16. Juni 1946 stirbt der 72-jährige Curt Großfuß nach einem Unfall beim Aufspringen auf einen anfahrenden Autobus der Döbelner Straßenbahn AG am Käthe-Kollwitz-Platz (heute Wettinplatz).
  • Am 27. Juni 1946 spricht Walter Ulbricht auf dem Thälmannplatz (heute Niedermarkt) zum bevorstehenden Volksentscheid über die Enteignung sog. Nazi- und Kriegsverbrecher in Sachsen. In der Presse wird über die NS-Vergangenheit Erhardt Tümmlers und Curt Großfuß' informiert. Am 30. Juni 1946 stimmen 13 462 Bürger (79,6%) Döbelns für die Enteignung. Damit wird die schon 1945 erfolgte Defacto-Enteignung nachträglich legitimiert.

VEB MEBA / VEB DBM

Logo des VEB Metallbau Döbeln (1956)
  • In der Nachkriegszeit werden bis 1947 Teile der Großfuß-Werke demontiert.
  • Am 1. Juli 1948 wird der VEB MEBA zunächst als Zweigbetrieb der VVB (Vereinigung Volkseigener Betriebe) Sanar geführt.
  • Produziert werden u.a. luftbereifte Präzisions-Kinderfahrzeuge (z. B. Radroller "Pionier Extra", Straßenroller "Schulflitzer Prima", Straßenroller "Schulflitzer Extra", Dreiräder "Zweig-Fix-Extra"). Sie sind bislang in den Grundfarben rot, grün und blau bekannt. Der Rahmen bestand aus Blechprägeteilen.
  • Im Jahr 1956 wird der VEB MEBA zum Werk II des VEB Döbelner Beschläge- und Metallwerk (DBM).
Briefkopf des VEB MEBA aus dem Jahr 1950 - Geld für neues Briefpapier hatte man nicht, ein Aufkleber musste reichen. (Quelle: Stadtarchiv Döbeln)


Wollen Sie wissen, wie es mit den Döbelner Großfuß-Werken weiterging?
Informieren Sie sich hier über die Geschichte des VEB Döbelner Beschläge- und Metallwerk (DBM).

Nachtrag

  • Im Jahre 2002 wird der Abriss der ehemaligen Werksgebäude bis auf den denkmalgeschützten "Rotuna-Bau" beschlossen. Der "Döbelner Anzeiger" berichtet: "Rund 5700 Quadratmeter Fläche werden ‚blankgeputzt' und 54.000 Kubikmeter umbauter Raum ‚entsorgt'. Die ältesten Gebäudeteile stammen von 1871. Der Kopfbau wurde als jüngster Teil 1938 errichtet." Im Mauerwerk und in den Fußböden werden Altlasten wie Öl, Schwermetalle, Zyanid aus galvanischen Bädern und Kohlenwasserstoffe wie Tri festgestellt.
  • Im Zeitraum 2002/2003 saniert man den denkmalgeschützten "Rotunda-Bau". Er dient bis 2014 als Schulungszentrum des Autoliv-Werkes in Döbeln. Nach der Schließung desselben zieht hier eine Anwaltskanzlei ein. Auf dem ehemaligen Areal der Großfuß-Werke baut die sächsische Polizei ein neues Revier.
Blick auf das ehemalige Fabrikgelände der Metall- und Lackwarenfabrik Johannes Großfuß zwischen Burgstraße und Grimmaischer Straße im Jahr 2023. Erhalten ist nur der denkmalgeschätzte Rotunda-Bau (errichtet 1940/41 nach Plänen des Architekten Wilhelm Kreis), in dem heute u.a. eine Anwaltskanzlei eingezogen ist.

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.

Quellen:
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 89
Stockmann, Gottfried: Die Stadt Döbeln als Standort der Industrie. Borna Leipzig 1928, S. 54f.
Roßmann, Felix: MG-42 brachte 10 Mio. Jahresgewinn. LVZ 13.06.1946
Materialsammlung Karlheinz Enzmann (nicht veröffentlicht)

Bildnachweis:
Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.