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Fleisch- und Wurstwarenfabrik Alfred Lindner GmbH

  • Die Firma Lindner Fleischverarbeitung, 1945 in Dresden ausgebombt, zieht 1946 in ein Fabrikgebäude der ehemaligen Tümmler-Werke in der Muldenstraße 1.
  • Im Oktober 1946 öffnet die Firma einen Großküchenbetrieb für die Wintermonate. Es werden Brotaufstrich und Fleischwaren hergestellt. In eigenen Abteilungen wird Gemüse getrocknet und in Baracken auf dem Gelände der Zuckerfabrik verarbeitet man Fisch.
  • 1955 verlassen täglich etwa 5000 kg Fleisch- und Wurstwaren, Salate und Konserven die Fleischwaren- und Feinkostfabrik.

VEB Pikant Fleischkombinat Döbeln

  • Am 16. August 1958 übernimmt der Rat des Kreises die Firma. Sie heißt bis zum 30. Juni 1959 VEB (K) Feinkost-Fleischfabrik Döbeln. Alfred Lindner wird Betriebsleiter. Das Unternehmen hat folgende Betriebsteile: Döbeln - Muldenstraße, Abt. Koch-, Brüh-, Rohwurst, Pökelwaren, Feinkosterzeugnisse, Zerlegung, Darmbearbeitung, Verwaltung, Zentralversand, Fuhrpark / Döbeln - Zuckerfabrikstraße, Abt. Fischverarbeitung / Waldheim - Döbelner Straße, Abt. Geflügelschlachtung (ab 1959) / Döbeln - Oschatzer Straße, Abt. Pferdeschlachtung / Döbeln - Waldheimer Straße, Abt. Sauerkrautherstellung / Döbeln - Karl-Marx-Platz (heute Körnerplatz) bzw. Friedrichstraße, Abt. Gemüsesalatherstellung
  • Für das Turn- und Sportfest 1959 liefert der Betrieb zur Verpflegung der Teilnehmer 6 Tonnen Knacker.
  • 1959 übernimmt man den Großviehschlachthof Waldheim und richtet ihn als Geflügelschlachtstelle für die Kreise Döbeln, Oschatz, Borna, Grimma, Geithain ein. 1961 wird die Firma um den VuD-Schlachthof Döbeln (VuD = Versorgungs- und Dienstleistungsbetrieb) erweitert. Vom 01. Juli 1959 bis zum 31. Dezember 1967 nennt sich der Betrieb VEB Pikant Fleischkombinat Döbeln.

Schweineschlachtung

1961 wird der städtische Dienstleitungschlachthof in Volkseigentum überführt und dem Fleischkombinat Döbeln unterstellt. Täglich können hier 345 Schweine und 15 Rinder geschlachtet werden. 1970 erfolgte eine Spezialisierung. Der Döbelner Schlachthof geht zu ganztägigen Schweineschlachtung über.

  • 1961 werden die Gebäude der ehemaligen Molkerei in der Uferstraße übernommen und als Feinkostabteilung eingerichtet. Probleme bei der Fleischversorgung führen zur Reduzierung der Wurstproduktion. Dafür erweitert man die Produktpalette um Buletten und Gemüsesalate.
  • 1963 stellt man die Sauerkraut- und Fischproduktion, 1964 die Geflügelproduktion (Verlagerung nach Mutzschen) und 1965 die Pferdeschlachtungen ein. Man konzentriert sich fortan auf das Kerngeschäft, auch um mit dem Export Geld zu erwirtschaften. 1965 liefert Pikant Schweinehälften für 1 099 000 Valutamark (Stand 1989: 1 DM = 1 Valutamark = 4,40 DDR-Mark) in den Westen.
  • 1965 wird der Betriebsteil Waldheim modernisiert, was besonders der Salamiproduktion zugutekam.

Reiferaum Betriebsteil Waldheim

1965 wird in einem spezialisierten Betriebsteil in Waldheim mit der Produktion von Roh- und Dauerwurst begonnen.

  • 1967 wird für die Mitarbeiter des Betriebes ein Sozialgebäude mit Waschräumen und Duschkabinen übergeben.
  • 1968 wird die erste Verkaufsstätte des VEB Pikant auf dem Thälmannplatz (heute Niedermarkt) eröffnet. Der Betrieb wird dem VEB Fleischkombinat Leipzig angegliedert und nennt sich bis zum 31. Juli 1990 VEB Fleischkombinat, Pikant Döbeln.
  • Der Döbelner Fleischermeister Walter Oelsner hat 1968 eine Dauerwurst entwickelt und darauf ein Patent bekommen. Das schützt die "Döbelner Salami" in der DDR und in der BRD. Zwischen 1969 und 1973 werden verschiedene Dauerwurstsorten auf den Markt gebracht (z.B. Döbelner Salami nach ungarischer Art), die auf Lebensmittelmessen ausgezeichnet werden

Verwaltung Muldenstraße

1974 wird eine Verwaltungsbaracke errichtet. Die Büros sind mit moderner Schreib- und Rechentechnik ausgerüstet.

  • 1975 (bis 1989) beginnt man mit dem Lebend-Export von ca. 2000 Tonnen Rindern, Schweinen und Schafen nach Westberlin und in die BRD. Der Betrieb mietet das Gut des Bauern Hälsig aus Großbauchlitz als Umschlagplatz für die Tiere.
  • 1977 erhält der Betrieb den Orden "Banner der Arbeit" Stufe I, eine hohe Auszeichnung der DDR. Für die Verarbeitung schlachtet man in diesem Jahr täglich 560 Schweine.
  • Um die Produktivität zu erhöhen wird 1979/80 in der Muldenstraße eine neue Zerlegehalle mit Flachschienenbahn in Betrieb genommen. Auch ein neuer Speise- und Kulturraum wird für die Beschäftigten gebaut.

Zerlegehalle für Rind- und Schweinefleisch

1979 wird eine neue Zerlegehalle mit Kühl- und Gefrierräumen in Betrieb genommen.

Speiseraum Muldenstraße

Mit der neuen Zerlegehalle wird 1980 auch ein neuer Speise- und Kulturraum an die Belegschaft übergeben. Auch an Behandlungszimmer für Arzt und Kosmetik wird gedacht.

Koch- und Brühwurstabteilung

1981 wird die neue Koch- und Brühwurstabteilung übergeben. Die Maschinen, Anlagen und Ausrüstungen sind mit einem hohen Technisierungsgrad ausgestattet.

Zentralversand Muldenstraße

1982 wird ein neuer Versandraum in der Muldenstraße in Betrieb genommen, der auch zusätzliche Kühlkapazitäten bereitstellt.

Briefkopf aus dem Jahr 1986
  • 1989 feiert man das 100jährige Bestehen des Döbelner Schlachthofes. Täglich werden hier 660 Schweine geschlachtet. Der Betrieb stellt 178 Fleisch- und Wurstsorten, Pasteten und Salate für Abnehmer aus 14 Kreisen her. Er beschäftigt 365 Arbeitskräfte ganztags und 100 in Teilzeit.
Kassenschlager aus dem Hause Pikant

Für die berühmte naturschimmelgereifte harte Wurst gab es unterschiedliche Namen - "Döbelner Salami" "Döbelner Weiße" "Weiße Wurst".
Der Pikant Produktionsleiter Helmut Petzold entwickelte die Rezeptur. Hauptbestandteile waren Sauenfleisch, mageres Rindfleisch und gefrosteter Speck.
Die Salami wurde vier bis sechs Wochen abgehangen, reifte also auf natürliche Weise ohne Zusätze und Starterkulturen.
Neben der langen Aushängezeit bei gleichbleibenden Temperaturen und erst 80%, später nicht über 30" Luftfeuchte, war es die spezielle Tauchmasse, die der Döbelner Salami den unverwechselbaren Geschmack verlieh. Diese hatte der Döbelner Fleischermeister Walter Elsner schon vor dem Krieg entwickelt. Pikant kaufte von ihm die Masse (jeden Montag 200 Liter, abgefüllt in Milchkannen), in die die Salami getaucht wurde.
Mit dem Konkurs von Pikant endet auch die Produktion der Döbelner Salami. Frank Ferchland, ehemaliger Pikant-Mitarbeiter, versuchte in seiner eigenen Fleischerei die "Döbelner Weiße" wiederzubeleben. Von 2002 bis 2013 konnte man die Wurst in seinem Geschäft in der Roßweiner Straße wieder kaufen. Seitdem lebt die "Weiße Wurst" nur noch in der Erinnerung älterer Döbelner. Schade eigentlich.

Döbelner Pikant Fleisch- und Wurstwaren GmbH

  • Infolge der von der Volkskammer der DDR verabschiedeten Gesetze wird 1990 aus dem Unternehmen die Schlacht- und Verarbeitungs-GmbH "Pikant" Döbeln, welche 1993 Herr Johannes Claus von der Treuhand erwirbt. Der Firmenname wird auf Döbelner Pikant Fleisch, Wurst und Feinkost GmbH geändert.
  • "Pikant" beliefert am 05. Februar 1991 noch 500 Verkaufsstellen in 15 Kreisen. Die Beschäftigtenzahl sinkt von 450 auf 350. Bereits 1990 hat man mit der Viehhandelsgesellschaft Moksel GmbH die Mittelsächsische Fleischzentrum GmbH gegründet. Das Sortiment ist von 150 auf 100 Erzeugnisse reduziert worden. Wegen der gesunkenen Nachfrage wird auch die Döbelner Salami nicht mehr hergestellt.
Werbeanzeige 1996
  • Am 07. Juni 1995 zieht der Betrieb mit der kompletten Produktion ins Gewerbegebiet 1b in Döbeln-Ost.
  • 1995 schließt im Dezember der Döbelner Schlachthof, weil der nicht den strengen Hygiene-Vorschriften der EU genügt. 19 Mitarbeiter erhalten die Kündigung. 2000 werden die Gebäude abgerissen. Die Post baut hier ein neues Verteilerzentrum.
  • 1998 erhält der Betrieb Jahresurkunde und Medaille zum CMA-Gütezeichen "Markenqualität aus deutschen Landen".
  • 1999 wird das ehemalige Pikant-Produktionsgebäude in der Muldenstraße abgerissen.
  • Trotz aller Bemühungen geht die "Erzgebirgische und Döbelner Pikant Fleisch- und Wurstwaren GmbH" am 01. November 2000 in Konkurs. Auch die drei Döbelner Verkaufsfilialen werden geschlossen.

Friki-Geflügel GmbH

Die Marke Friki gehört mittlerweile zur niederländischen Plukon Food Group.
  • Die türkische Kasli GmbH, die zur türkischen Kombassan-Gruppe gehört, ist der neue Eigentümer des Traditionsunternehmens Pikant. Schon 2001 meldet auch diese Firma Konkurs an. 117 Mitarbeiter sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.
  • Der auf Geflügelprodukte spezialisierte Wursthersteller Delko Falkenberger Fleischwaren GmbH, ein Schwesterunternehmen der Frikifrisch GmbH Hürth, übernimmt am 22. November 2001 den Betrieb. Mit der Marke "Friki" will man sich auf die Verarbeitung von Hühnerfleisch spezialisieren. Nur 24 Beschäftigte werden übernommen.
  • 2003 eröffnet man einen Werksverkauf-Laden.
  • Friki gehört mittlerweile zur niederländischen Plukon Food Group, die in Deutschland 1.400 Mitarbeiter und in fünf Betriebsstätten beschäftigt. Plukon ist einer der größten Verarbeiter von Geflügelfleisch in Europa.

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.

Quellen:
VEB Pikant (Hg.): 25 Jahre VEB Pikant Döbeln – bebilderte Auszeichnungsmappe zum Betriebsjubiläum. Döbeln 1983
Enzmann Karlheinz: Industriegeschichte im Landkreis Döbeln – Firma Pikant Fleischwarenkombinat Döbeln. 1999 In: Sammelband Der neue Döbelner Erzähler. 2004, S. 156-158

Bildnachweis:
Fotos aus dem Betriebsalltag - VEB Pikant (Hg.): 25 Jahre VEB Pikant Döbeln – bebilderte Auszeichnungsmappe zum Betriebsjubiläum. Döbeln 1983
Werbeanzeige 1996 – Stadt Döbeln (Hg.): Heimatfestjahrbuch Stadt Döbeln 1996. Kissing 1996, S. 37
Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.