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Silberwarenfabrik Gebr. Köberlin

  • 1873 übernehmen Johannes (Hans) und (Alphons) Hugo Köberlin das Gold- und Silberwarengeschäft auf dem Niedermarkt Nr. 15. Das Geschäft hatte Carl Wilhelm Leyritz aus Chemnitz 1828 als Goldwarengeschäft in Döbeln eröffnet. Er stellte Ohrringe, Broschen und Ringe her. Als um 1850 der Verkauf von Goldwaren zurückgeht, beginnt Leyritz mit der Herstellung von Silberwaren.
  • Die beiden neuen Inhaber nennen die Firma "Besteckfabrik Gebr. Köberlin Döbeln in Sachsen". In den Werkstätten im Hinterhaus werden silberne Tafelbestecke und Kunstgegenstände produziert und im Vorderhaus verkauft.
  • 1882 scheidet Hugo aus der Firma aus, Johannes Köberlin wird alleiniger Inhaber. Als dieser stirbt, übernimmt der dritte Bruder, Richard Köberlin, auf Bitten der Witwe die Leitung. Allerdings verkauft Minna Köberlin den Betrieb hinter dem Rücken des Geschäftsführers am 18. Mai 1898 an ihren Schwager Alfred Schmidt aus Dresden. Ab 1899 sind dessen Söhne Walther und Oskar mit der Leitung des Betriebs beauftragt.

(1) In diesem Haus am Niedermarkt wurde nicht nur der berühmte expressionistische Maler Erich Heckel geboren, sondern hier liegen auch die Ursprünge der Silberwarenfabrikation durch die Gebr. Köberlin. Das Unternehmen bewirbt sich selbst als älteste Besteckfabrik Sachsens.
(2) und (3) Aufnahmen um 1900 - Das Geschäft firmiert unter "Silberwarenfabrik Gebr. Köberlin - Größtes Lager in Gold-, Silber- & Alfenidwaren" (Alfenide = weniger gebräuchliche Bezeichnung für eine Legierung aus Nickel, Kupfer und Zink).

Seit 1828 hängt über dem Haus Niedermarkt 15 das Goldschmiedewappen. Es ist davon auszugehen, dass seit dieser Zeit Gold- und Silberschmiede in Döbeln gearbeitet haben. Die alte Eingangstür gibt noch Zeugnis von der Silberwarenmanufaktur am Niedermarkt Nr. 15. 1913 waren die Räumlichkeiten hier endgültig zu klein und man bezog ein großzügiges Fabrikgelände an der äußeren Bahnhofstraße.
Briefkopf mit Ansicht der Fabrik aus dem Jahr 1921 (Quelle: Stadtarchiv Döbeln)
Werbebriefmarke von der neuen Fabrik in der Bahnhofstraße 43
  • Die Steigerung der Besteckproduktion macht eine Erweiterung des Unternehmens notwendig. An der äußeren Bahnhofstraße errichtet man eine neue Fabrik.
  • Hier stellt man weiter hochwertige Silberwaren her, beginnt aber auch mit der Massenherstellung von Alpacca-Besteck (Alpacca oder Neusilber ist ein silberfarbenes Metall, das aus einer preiswerten Kupfer-Nickel-Zink-Legierung besteht.).
  • Ende 1912 beschäftigt das Unternehmen 45 Arbeiter und stellt 1913 an den Stadtrat den Antrag auch Arbeiterinnen beschäftigen zu dürfen.
  • Die Jahre des Ersten Weltkrieges übersteht die Firma durch die Übernahme von Heeresaufträgen, auch Kleinsilberwaren und Bestecke werden weiter hergestellt.
  • Nach dem Krieg firmiert das Unternehmen unter "Gebrüder Köberlin - Silberwaren-Fabrik und Kunstgewerbliche Werkstätten". 1920 beschäftigt man 40 Mitarbeiter, darunter 12 Frauen.
  • 1924 scheidet Oskar Schmidt als Gesellschafter aus. Lucia Schmidt, die Witwe Walther Schmidts, tritt an seine Stelle.
  • In den späten 1920er Jahren, mit steigendem Wohlstand der Bevölkerung, nimmt die Firma eine gute Entwicklung. 1927 hat der Betrieb 135 Beschäftigte.
  • 1935 wird der Kaufmann Lothar Schmidt aus Döbeln Gesellschafter.
  • 1937 kostet ein Viererset mit Messer, Gabel, Löffel und Kaffeelöffel 8 Mark, weit mehr, als ein Arbeiter am Tag verdient.

(1) Postkarte von der neuen Silberwarenfabrik, 1920er Jahre
(2) Das alte Hauptgebäude der Silberwarenfabrik gehörte später zum VEB DBM und wurde für die Lehrlingsausbildung bzw. als Lehrlingswohnheim genutzt (Foto 70er Jahre).

(3) Das mehrstöckige Hauptgebäude der Silberwarenfabrik hat die Zeiten überdauert. Nach der Wende fand es als Haus E des Beruflichen Schulzentrums Döbeln-Mittweida Verwendung. Derzeit ist hier die Volkshochschule untergebracht (Foto 2023).
(4) Die angegliederten ebenerdigen Fabrikhallen sind nicht erhalten. Das Gelände gehört heute zur Veolia Wasser Deutschland GmbH (Foto 2023).

Werbeanzeige aus dem Jahr 1938
  • Während des Zweiten Weltkrieges werden fast alle Metalle konfisziert. Der Betrieb kommt fast zum Erliegen. Ab 1941 übernimmt die Firma Rüstungsaufträge, um eine Stilllegung zu verhindern.
  • 1945 hat die Fabrik noch ca. 30 Beschäftigte. Die Firma produziert nach dem Krieg versilbertes, aber auch echtes silbernes Essbesteck und verschiedene Kleinsilberwaren (z.B. Zigarettenetuis). Meist müssen die Kunden vorher Altsilber abgeben.
  • 1948 wird die Firma in eine Kommanditgesellschaft (KG) umgewandelt. Es werden 45, 1949 51 Mitarbeiter beschäftigt.
  • Die DDR hat eine hohe Akzise auf Silber eingeführt. Zum Materialpreis von vier Pfennig pro Gramm soll eine Abgabe von 50 Pfennig kommen. Aus der Belegschaft heraus kommt es zu Anzeigen wegen vermeintlicher "Unregelmäßigkeiten". 1951/52 kommt es zu einer Untersuchung, die einen Mehrbestand an Silber feststellt. Lothar Schmidt und Prokurist Paul Ernst werden wegen angeblicher "Spekulationsverbrechen" zu Freiheits- und Geldstrafen verurteilt.
  • In der Folge wird die private Firma unter Treuhandverwaltung gestellt und am 01.10.1953 entschädigungslos enteignet.

VEB Silberwaren- und Besteckfabrik, kurz Sibefa

  • 1954 wird der Betrieb verstaatlicht. Aus der Firma Gebr. Köberlin wird der VEB Silberwarenfabrik, später Silberwaren- und Besteckfabrik, kurz Sibefa.
  • Die bereits 1953 enteignete Firma "Doublina" wird mit Silbefa zusammengelegt. Auch der VEB Besteckfabrik Lindenthal (bei Leipzig) wird 1955 angegliedert.
  • 1958 werden erstmals in größerem Umfang Bestecke exportiert. 50 000 Garnituren gehen nach Polen und in die Türkei.
  • Wegen des Silbermangels in der DDR wird der Betrieb 1965 geschlossen. Die Gebäude stellt man dem VEB DBM zur Verfügung. Das Hauptgebäude der Fabrik wird zur DBM-Betriebsschule (Berufsaus- und -weiterbildung, Polytechnik und Erwachsenenqualifizierung). Auch die Mitarbeiter werden vom VEB DBM übernommen. Man braucht Beschäftigte für die Waffenproduktion im Werk 2, Grimmaische Straße (ehemals Großfuß).
  • Das Hauptgebäude des Unternehmens wird nach 1990 vom Landkreis übernommen und vom Berufsschulzentrum als Haus E genutzt. Derzeit ist hier die Volkshochschule untergebracht. Die Fabrikhalle, die ehemalige Presserei, die Galvanik und das Heizhaus werden im Januar 1999 abgerissen. Auf dem Gelände findet man heute die Veolia Wasser Deutschland GmbH - Niederlassung Döbeln.

Silberwarenfabrik Richard Köberlin

Leisniger Straße 3
  • Der langjährige Prokurist der Firma Gebr. Köberlin, Richard Köberlin (geb. am 11.10.1849 in Leipzig), scheidet 1899 aus der Firma aus und gründet in der Leisniger Straße 3 eine eigene Fabrik für Silber- und Alpacca-Bestecke mit 12 Beschäftigten.
  • 1906 treten der Sohn Walther Köberlin und 1912 Eugen Müller aus Dresden als Teilhaber in das Geschäft ein.
  • 1920 scheidet Richard Köberlin altersbedingt aus dem Geschäft aus und sein Sohn Walther übernimmt die Leitung der Firma. Der Firmengründer stirbt 1928. In diesem Jahr hat der Betrieb 60 Mitarbeiter.
  • Da im Zweiten Weltkrieg nahezu alle Metalle konfisziert werden, wird die Produktion fast eingestellt. Eugen Müller stirbt 1942, Walther Köberlin wird Alleininhaber.
  • Nach dem Krieg stellt die Firma vernickelte Eisenlöffel her, da kein Silber zu beschaffen war. 1949 werden 45 Mitarbeiter beschäftigt.
Briefkopf der Firma aus dem Jahr 1933
Werbeanzeige aus dem Jahr 1925 Werbeanzeige aus dem Jahr 1938
  • 1954 führt der Staat eine Akzise auf Silber ein. Für ein Gramm Silber, das bis dahin 4 Pfennige gekostet hatte, mussten nun 54 Pfennige bezahlt werden.
Belegschaftsfoto der Firma Richard Köberlin, 1954 (Stadtarchiv Döbeln)
Messewerbung aus dem Jahr 1957
  • Nach dem Tod Walther Köberlins am 18.02.1957 übernehmen Ehefrau Frieda Köberlin und die Töchter Marianne Günther und Elfriede Kemps die Firma und bilden eine Kommanditgesellschaft (KG).
  • Seit dem 01. Juli 1959 arbeitet der Betrieb mit staatlicher Beteiligung. Gesellschafter ist anfangs die Deutsche Investbank Berlin, dann der VEB (K) Sibefa Döbeln, ab dem 15. November 1965 der VEB ABS Aue (Auer Besteck- und Silberwarenwerke).
  • 1960 werden die Maschinen von Transmission auf Elektromotoren umgestellt.
  • 1962 wird die Produktion von silbernen Bestecken eingestellt. 1963 produzieren 39 Mitarbeiter nur noch Alpaccabestecke unter Verwendung sehr geringer Silberauflagen.
  • 1964 übernimmt der Enkel Walther Köberlins, Dipl.-Ing. Christian Günther, die Leitung der Firma. Er ist am 12. August 1963 als Technischer Leiter in den Betrieb eingetreten.
  • Als die Sibefa (früher Gebr. Köberlin) 1965 die Produktion einstellen muss, übernimmt die Firma Richard Köberlin Werkzeuge und Aufträge.
  • 1970 wird in der DDR ein staatliches Verwendungsverbot von Silber bei der Besteckproduktion erlassen. Man stellt auf Aluminiumbesteck um.

VEB Besteckfabrik Döbeln

  • 1972 wird der Betrieb in der letzten Enteignungswelle verstaatlicht, heißt fortan VEB Besteckfabrik Döbeln.
  • 1973 werden 400 000 Besteckgarnituren und 174 000 Kaffeelöffel aus Aluminium hergestellt. Umsatz: 1,7 Millionen DDR-Mark.
Briefkopf der Firma aus der Zeit zwischen 1972 und 1980
  • Seit 1979 gehört der Betrieb zum VEB Auer Besteck- und Silberwaren und nennt sich VEB Auer Besteck- und Silberwarenwerke Werk Döbeln.
  • Zwangsabgaben auf die erwirtschafteten Gewinne lassen keine Modernisierung der Produktion zu. Maschinenpark und Mitarbeiter werden immer älter. 1988 forciert der Betriebsleiter aus den genannten Gründen die Schließung des Unternehmens. Die 30 Mitarbeiter werden vom VEB Haushaltsgeräte Karl-Marx-Stadt, Werk Döbeln (früher VEB Rationalisierung) an der Zschepplitzer Straße übernommen.

Abtransport der alten Pressen nach Schließung des Betriebs in der Leisniger Straße. (Fotos: Stadtarchiv Döbeln)

  • Der Betrieb wird 1993 reprivatisiert und beherbergt nachfolgend die Schilder- und Stempelfabrik Döbeln.
  • Nach Richard Köberlin ist heute eine Straße im Gewerbegebiet Döbeln-Ost benannt.

Doublina - Alpacca- u. Silberwarenfabrik Hugo Lehn

Grimmaische Straße 26
  • Hugo Lehn, der vorher als Werkmeister bei Richard Köberlin beschäftigt war, gründet seine Firma am 15.01.1919. Er beginnt mit der Produktion in der Werkstatt des 1911 verstorbenen Friedrich Oswald Vetterlein in der Moltkestraße 1 (heute Rudolf-Breitscheid-Straße).
  • 1922 zieht die Firma in die Grimmaische Straße 25 in Döbeln um.
  • 1929 übergibt Hugo Lehn die Firma an seine Söhne Walter und Fritz, die eine Offene Handelsgesellschaft bilden.
  • Im Zweiten Weltkrieg kommt der Betrieb fast zum Erliegen, 1942 werden noch 11 Arbeiter beschäftigt.
Werbung der Firma "Doublina" 1930er Jahre
  • Nach dem Krieg hält man sich mit Behelfsarbeiten über Wasser, 1948 hat der Betrieb schonwieder 47 Beschäftigte.
  • 1949 werden bei einer Überprüfung durch die Steuerfahndung Steuerrückstände und -hinterziehung festgestellt. Die beiden Inhaber hatten sich in den Westen abgesetzt, weshalb der Betrieb 1952 beschlagnahmt wurde.
  • Auf Beschluss des Rates des Kreises vom 02.06.1953 wird die Firma enteignet und unter der Bezeichnung VEB Silberwarenfabrik Döbeln weitergeführt. 1954 erfolgt die Zusammenlegung mit dem VEB Silberwaren und Besteckfabrik Döbeln (Sibefa, ehemals Gebr. Köberlin).

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.

Quellen:
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 90
Stockmann, Gottfried: Die Stadt Döbeln als Standort der Industrie. Borna Leipzig 1928, S. 43ff.
Materialsammlung Karlheinz Enzmann (nicht veröffentlicht)
Priemer, Rudolf: Mit Köberlins Silberwarenfabrik begann dominierende Metallverarbeitung. SZ 30.10.1995
Enzmann Karlheinz: Industriegeschichte im Landkreis Döbeln – Die Firmen Köberlin in Döbeln, Besteckwarenfabriken. 1999 In: Sammelband Der neue Döbelner Erzähler. 2004, S. 142-144
Hoyer, Jens: Eine glänzende Karriere. DA 30.05.2017
Seiler, Elke/Kirchbrücher, Bernd: Besteckfabriken und Silberwarenhersteller Döbeln/Sachsen. Döbeln 2023

Bildnachweis:
Abbildungen (2) und (3) mit dem Haus am Niedermarkt – Sammlung Ettrich URL: www.döbeln.de (05.06.2022)
Messewerbung - Stadtarchiv Döbeln
Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.