Metallwarenfabrik H.W. Schmidt
- Heinrich Wilhelm Schmidt, 1836 in Roßwein geboren, eröffnet 1864 an der Ecke Niedermarkt/Johannisstraße ein Klempnereigeschäft.
- Gemeinsam mit Richard Handschuh gründet er eine Blech- und Lackierwarenfabrik. 1880 stirbt Handschuh. Seine Anteile erbt dessen Frau Selma Handschuh, geb. Knobloch. Sie übergibt das Geschäft an ihren Bruder Max Knobloch, der auch die Anteile von H.W. Schmidt übernimmt.
- In der Zeit von 1893 bis 1895 lässt H.W. Schmidt in das schmale Areal zwischen den Häusern der Friedrichstraße und dem Schlachthof zwei langgezogene Produktionsgebäude bauen, in denen Anschlagteile aus Schwarzblech hergestellt werden, die man zu Emaillegeschirr weiterverarbeiten kann. Unter den Halbprodukten waren Ausgüsse und Hohlgriffe für Kaffeekannen und Kessel.
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- 1893 errichtet Schmidt an der Burgstraße ein zweigeschossiges Wohnhaus. Im Erdgeschoss ist das Büro seiner Firma, in der oberen Etage die Wohnung des Gründers, der auch ohne Fabrikantenvilla auskommt.
- Die Firma wird 1899 von Otto Ferdinand Braun, dem Schwiegersohn H.W. Schmidts, übernommen. Sie nennt sich "H.W. Schmidt Nachf.".
(1) Blick von der Bahnhofstraße, (2) Blick von der Burgstraße
Das 1895 erbaute Produktionsgebäude steht noch heute. Es erstreckt sich fast auf ganzer Länge parallel hinter den Häusern der Friedrichstraße von der Bahnhof- zur Burgstraße. Bis 1945 produziert hier die Firma H.W. Schmidt Nachf., später kommen in den Gebäuden andere Firmen unter (Reifen-Meng im Erdgeschoss, VEB Rationalisierung im Obergeschoss). Nach der Wende wird der Komplex u.a. von der Firma Möbel-Näther genutzt.
(1) Das ehemalige Wohn- und Bürohaus von H.W. Schmidt an der Burgstraße zwischen der Friedrich- und der Schlachthofstraße wurde in unmittelbarer Nähe zu den Produktionsgebäuden des Unternehmens im Jahr 1893 errichtet. Das Foto stammt aus dem Jahr 2001. (2) Im Jahr 2023 klafft an der Stelle des Hauses eine Baulücke. Das Gebäude wurde abgerissen.
- 1905 errichtet Schmidt ein imposantes Fabrikgebäude rechts der Burgstraße. Er wendet sich verstärkt der Verarbeitung von Aluminium zu. Schmidt erkennt als einer der Ersten das Potential des Metalls für die Haushaltsgeräteproduktion. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt das Unternehmen 290 Arbeiter.
(1) Vorderansicht der ehemaligen Metallwarenfabrik von H.W. Schmidt. Nach Krieg und Enteignung hieß der Betrieb VEB Metallwarenfabrik (MEWA). 1956 wurde das Areal der Fertigungsbereich 3 des VEB DBM. Anfang der 90er Jahre wurden die Gebäude abgerissen. Auf der Industriebrache befindet sich derzeit u.a. ein Pflanzenmarkt.
(2) Rückansicht der Fabrik © Stadtmuseum Döbeln, Fotograf: Harry Heidl
(3) Das Areal, auf dem früher die Fabrik stand, wird heute als Pflanzenmarkt genutzt. Wo man früher durch Schmidts Park flanieren konnte, steht das neu gebaute Arbeitsamt.
- H.W. Schmidt stiftet 1907 6000 Mark für das Bürgerheim der Stadt. Vorher hatte er schon für seine 1901 verstorbene Ehefrau die Marie-Schmidt-Stiftung mit einem Kapital von 5000 Mark ins Leben gerufen. Die Zinsen sollten für die Döbelner Armen verwendet werden.
- Zu Gunsten der Arbeiter und Beamten seines Betriebes errichtet der Gründer die "Marie und H.W. Schmidt-Stiftung", die mit 10 000 Mark ausgestattet wird. 1918 erhöhen seine Nachfolger das Kapital der Stiftung um weitere 10 000 Mark.
- 1908 stirbt H.W. Schmidt und vererbt die Fabrik an seine Söhne Otto und Bernhard Schmidt. Sie bauen die Produktion weiter aus und setzen zunehmend auf Aluminium.
- 1925 hat das Unternehmen ca. 400 Mitarbeiter.
- Nach 1930 wird die Fabrik durch eine Flachhalle entlang der Mulde erweitert. Das nicht genutzte Gelände Richtung Reichensteinstraße wird von den Nachfolgern des Gründers zu einem Park umgestaltet ("Schmidts Park").
- Obwohl durch den Versailler Vertrag verboten, beginnt die Firma 1933 mit der Produktion von Rüstungsgütern.
- Seit 1937 werden Tretminen, seit 1938 sog. S-Minen (Abk. für Schrapnell- oder Splitter- oder Springmine) für das Oberkommando des Heeres (OKW) hergestellt. S-Minen werden nach der Auslösung durch Tritt oder Stolperdraht und einer kurzen Verzögerung bis etwa auf Hüft- oder Kopfhöhe in die Luft geschleudert, wo sie mit Splitterwirkung explodieren. Dabei wird nicht nur der Auslösende, sondern auch Personen in seiner direkten Umgebung verletzt oder getötet.
- Pro Monat stellt die Firma ca. 10 000 Minen her, bis 1943 werden diese mit polierten Kugeln, später mit scharfkantigem Schrott gefüllt.
- Die zivile Produktion des Betriebes wird im Krieg fast völlig aufgegeben, 1944 sind 93,4% direkte oder indirekte Heereslieferungen. Möglich wird das durch den Einsatz von mindestens 95 Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen, hauptsächlich aus der Ukraine. Diese sind anfangs im Gasthof Neudorf, später im Barackenlager an der Leisniger Straße untergebracht. Auch 15 französische Kriegsgefangene kommen zum Einsatz.
- Wie alle Rüstungsbetriebe wird auch die Firma H.W. Schmidt nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. Zur Erfüllung der Reparationsleistungen werden viele Maschinen ab Mitte Mai 1945 demontiert.
VEB MEWA
- Als VEB MEWA (=Metallwaren) produziert das Unternehmen Geschirrbeschläge, Aschekästen, Koffergriffe, Ofenrohrknie, Scharniere und Wassereimer.
- Am 04. November 1945 arbeiten wieder 206 Mitarbeiter in der Firma.
Wollen Sie wissen, wie es mit der Metallwarenfabrik H.W. Schmidt weiterging?
Informieren Sie sich hier über die Geschichte des VEB Döbelner Beschläge- und Metallwerk (DBM).
© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.
Quellen:
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 89
Stockmann, Gottfried: Die Stadt Döbeln als Standort der Industrie. Borna Leipzig 1928, S. 58f.
Materialsammlung Karlheinz Enzmann (nicht veröffentlicht)
Neubauer, Wolfgang: Die Bahnhof- und die Burgstraße – Teil 4 Zwischen Jacobikirche und Friedrichstraße. STIEFEL1999 In: Sammelband Der neue Döbelner Erzähler. 2004, S. 153-154
Neubauer, Wolfgang: Der neue Döbelner Erzähler, Die Bahnhof- und die Burgstraße – Teil 14 Das Industriegelände zwischen Bahnhof- und Reichensteinstraße. In: STIEFEL Das Stadt-MAGAZIN für Döbeln 10/2001, S. 11-13
Treibhaus e.V. (Hg.): Döbeln im Nationalsozialismus - Eine Stadtkarte der AG Geschichte. 2017
Bildnachweis:
Foto vom Wohnhaus 2001 – Stadtarchiv Döbeln
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S-Mine 35 - MoserB, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons, URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:S-Mine_35.jpg (21.07.2024)
Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.
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