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Landmaschinenfabrik Franz Richter

Königl. Sächs. Kommerzienrat Franz Richter, * 23.03.1849 | † 04.02.1924, Ehrenbürgerschaft Döbelns verliehen am 02.06.1911
  • Der Schmied Carl Grieben eröffnet in der Großen Kirchgasse eine kleine Schlosser- und Schmiedewerkstatt. Er baut Brücken-, Vieh- und Stangenwaagen.
  • Das Geschäft läuft gut. Grieben sucht für seine Werkstatt größere Räumlichkeiten und findet diese im Nebengebäude der Dähnschen Spinnerei auf dem Oberwerder. Da er hier die Dampfkraft mitnutzen kann, wird die Belegschaft schnell auf 35 Arbeiter erhöht.
  • Um die Expansion finanzieren zu können, sucht er sich einen Partner und findet diesen in Kaufmann Richard Wagner aus Altenburg/Thüringen.
  • Grieben und Wagner kaufen ein Grundstück an der Roßweiner Straße und errichten hier 1866 zwei Fabrikgebäude. Man arbeitet mit Dampfkraft und beschäftigt schon bald 100 Arbeiter.
  • Infolge Krankheit scheidet Wagner 1870 aus der Firma aus. Neuer Partner Griebens wird der damals 30-jährige Kaufmann Franz Richter, der in der Döbelner Johannisstraße ein Geschäft betreibt. Neben Brücken- und Lastenwaagen baut man Häckselmaschinen, Dreschmaschinen und Göpel.
Werbeanzeige für eine Viehwaage der Firma - Sorgte schon oft für Irritationen - damals schrieb man "Waage" mit nur einem "a".
  • Die Fa. "C. Grieben & Richter" baut 1872 weitere Fabrikgebäude und eine Eisengießerei.
  • 1874 trennen sich die Partner, weil Grieben wegen Grundstücksspekulationen in Schwierigkeiten ist. Franz Richter führt die Firma allein weiter, fokussiert die Produktion auf landwirtschaftliche Maschinen (z.B. Universal-Breitsähmaschinen, Drill- und Kartoffelsortiermaschinen) und erweitert sein Absatzgebiet über Deutschland hinaus nach Frankreich, Russland, Rumänien, Holland, Belgien, Schweden und Norwegen. Das Unternehmen hat bis zu 600 Mitarbeiter, für die eine Unterstützungskasse und Stiftungen ins Leben gerufen werden.
Zweigniederlassung der Fa. Franz Richter in Breslau
  • 1874 trennen sich die Partner, weil Grieben wegen Grundstücksspekulationen in Schwierigkeiten ist. Franz Richter führt die Firma allein weiter, fokussiert die Produktion auf landwirtschaftliche Maschinen (z.B. Universal-Breitsähmaschinen, Drill- und Kartoffelsortiermaschinen) und erweitert sein Absatzgebiet über Deutschland hinaus nach Frankreich, Russland, Rumänien, Holland, Belgien, Schweden und Norwegen. Das Unternehmen hat bis zu 600 Mitarbeiter, für die eine Unterstützungskasse und Stiftungen ins Leben gerufen werden.
  • 1886 brennt das Fabrikgebäude ab, in dem sich auch die Kontorräume befinden. Trotzdem eröffnet man eine Vertriebsfiliale in Breslau. 1887 wird der 1000. Pflug hergestellt.
Antrieb für noch mehr Maschinen - die 1889 angeschaffte Dampfmaschine.
  • Franz Richter stellt 1888 den Antrag auf Bau eines Gleisanschlusses für seine Firma, den die Bahn ablehnt. 1889 wird eine neue Dampfmaschine mit 35 PS Leistung in Betrieb genommen.
  • Am 23. und 24.05.1892 streiken die Arbeiter der Fabrik, weil ihnen der Lohn gekürzt wurde. An der Eisenbahnhaltestelle kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Streikenden, weil diese den Zuzug von Streikbrechern verhindern wollen.
  • König Albert und Prinz Georg besuchen 1893 die Döbelner Gewerbe- und Industrieausstellung. Franz Richter führt sie durch die Maschinenhalle.
Preismedaille der Gewerbe und Industrie-Ausstellung Döbeln 1893 (Bronze)
Franz Richter mit seinen Söhnen und Mitarbeitern (um 1900)
  • 1894 gründet man eine zweiten Filiale in Bentschen, die 1897 nach Frankfurt a.O. verlegt wird.
  • Franz Richter ist 1897 Mitbegründer des "Vereins der Fabrikanten landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte". Der "Zentralausschuss der Vereinsvorsitzenden zu Döbeln zur Förderung volkstümlicher Interessen" wählt Stadtrat Franz Richter zum Vorsitzenden und beschließt die Errichtung eines Lutherdenkmals.
  • 1900 wird das Unternehmen in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Die Leitung der Fabrik liegt in den Händen der Söhne Georg und Alfred Richter. Kommanditisten sind die drei Töchter Franz Richters. Georg übernimmt die technische Leitung und Alfred die kaufmännische Verwaltung der Firma.
Franz Richter und seine Söhne Georg und Alfred Richter (um 1900)
  • Der Sächsische Landtag beschließt am 06. März 1900 den Bau einer Güterhaltestelle in der Nähe der Bahnhaltestelle an der Roßweiner Straße. Das eröffnet für die Firma neue Möglichkeiten.
  • Der Ankauf des benachbarten Haaseschen Dampfsägewerks und weitere Feldankäufe ermöglichen 1904 eine bedeutende Erweiterung der Fabrikanlagen. In der Firma sind ca. 600 Beamte und Arbeiter beschäftigt. Kommerzienrat Franz Richter zieht sich nach 34jähriger Tätigkeit als Unternehmer ins Privatleben zurück. Zum Abschied stiftet er 10 000 Mark für die Pensions- und 15 000 Mark für die Unterstützungskasse.
  • Seit 1905 engagieren sich die Söhne Franz Richters als Stadtverordnete, Stadträte und Vorsitzende des Arbeitsgeberverbandes.
Briefkopf der Firma mit Abbildungen der verschiedenen Betriebsteile

Beispiele für Landwirtschaftsmaschinen, die die Firma 1915 produzierte.

Werbeanzeige 1927
  • 1912 besucht König Friedrich August von Sachsen die Fa. Franz Richter.
  • In der Zeit des Ersten Weltkrieges (1914-1918) nimmt die Firma Rüstungsaufträge an und produziert Teile für U-Boote, Flugzeuge und Minenwerfer.
  • Am 06. November 1921 werden die Glocken der Leipziger Nicolaikirche geweiht. Georg und Alfred Richter spenden die 13 Zentner schwere Taufglocke.
  • Am 05. November 1924 stirbt Franz Richter. Die bisherige Berg- und Hohe Straße (heute Industriestraße) wird in "Franz-Richter-Straße" umbenannt.
Grab des Firmengründers auf dem Döbelner Niederfriedhof
  • 1926 gründet man im Unternehmen eine Betriebsfeuerwehr.
  • 1926 werden Franz Georg Richter (Sohn Georg Richters), Hans Richter (Sohn Alfred Richters) sowie Rudolf Thieme (Schwiegersohn Alfred Richters) Teilhaber des Unternehmens, das zu diesem Zeitpunkt 650 Beschäftigte hat. Hergestellt werden Gespann- und Anhängepflüge, Eggen, Ackerwalzen, Drillmaschinen, Hack- und Häufelpflüge, Jätmaschinen, Jaucheverteiler, Gabelwender, Trommelwender, Heu- und Getreiderechen, Kartoffelroder, Rübenheber, Hand-, Göpel-, Motor- und Einbaudreschmaschinen, Kartoffelsortierer, Kartoffelquetschen, Rübenschneider, Kartoffel- und Rübenwaschmaschinen.
  • Georg Richter stirbt 1928 im Eisenbahnzug von Radeberg nach Dresden 58-jährig an einem Herzschlag. Er war Mitinhaber und techn. Leiter der Firma. Im Jahr 1919 war er zum Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes Döbeln gewählt worden. Von 1908 bis 1919 war er Stadtverordneter bzw. Stadtrat und seit 1926 wieder Stadtverordneter.
Grab Georg Richters auf dem Döbelner Niederfriedhof
Hans Richter mit seiner Tochter Helga, der Urenkelin des Firmengründers.
  • Am 26. Januar 1936 findet eine Feier anläßlich des 75-jährigen Firmenbestehens statt.
  • So wie schon im Ersten Weltkrieg steht auch ab 1939 die Rüstungsproduktion im Vordergrund der Geschäftstätigkeit. Die Geschäftsführung hat nun Hans Richter.
  • Nach Kriegsende kommt es zu einer weitgehenden Demontage der Maschinen und Ausrüstungen.
  • Am 04. November 1945 arbeiten 150 Mitarbeiter in der Firma.
  • 1946 erfolgt die Enteignung und Überführung der Fabrik in Volkseigentum. Hans Richter, Enkel des Firmengründers, wird zum Treuhänder bestellt. Die Familie Richter muss das Wohnhaus auf dem Firmengelände verlassen. Hans Richter arbeitet nach seiner Entlassung als Ziegeleiarbeiter. Der letzte Familiengeschäftsführer stirbt 1968.
Anschreiben zur Enteignung (Stadtarchiv Döbeln)
  • Im Februar 1946 wird die Produktion eingestellt. Am 17. August erteilt man die Wiederanlaufgenehmigung für die Produktion von Straßenbaumaschinen und landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten.
  • Der Betrieb firmiert seit 1947 als "Landmaschinenfabrik Döbeln" und produziert Pflüge, Kartoffelroder, Drillmaschinen, Gespannwagen, Dreschmaschinen, Heurechen, Grasmäher, Rübenschneider und Eggen.
  • 1948 wird die Enteignung rechtskräftig vollzogen. Das Unternehmen mit 400 Mitarbeitern ordnet man dem VVB Landmaschinen- und Traktorenbau Leipzig zu. Es erhält den Namen VEB Landmaschinenbau "Rotes Banner" Döbeln. Die Franz-Richter-Straße wird in Industriestraße umbenannt.

Wohl nicht mehr zu retten - die völlig verfallene Villa des Firmengründers in der Roßweiner Straße (Foto von 2023).


Wollen Sie wissen, wie es mit der Landmaschinefabrik Franz Richter weiterging?
Informieren Sie sich hier über die Geschichte des VEB Landmaschinenbau "Rotes Banner" Döbeln.

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.

Quellen:
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 85f.
Stockmann, Gottfried: Die Stadt Döbeln als Standort der Industrie. Borna Leipzig 1928, S. 68ff.
Materialsammlung Karlheinz Enzmann (nicht veröffentlicht)
Reichelt, Kathrin: Schweinchenrosa Landtechnik aus Döbeln. In: DA 15.06.2011
matec GmbH (Hg.): 1861 bis 2011 - 150 Jahre Industriestandort Döbeln. Döbeln 2011
Jaeckel, Helga/Herrmann, Klaus: Von der Landmaschinefabrik Franz Richter, Döbeln, über den VEB Landmaschinenbau „Rotes Banner“ zum Kabinenhersteller Matec. URL: http://das-goedel-buch.de/assets/applets/Franz_Richter_Dobeln.pdf (03.04.2023)
Dreyer, Klaus: Historische Landmaschinen von A-Z. URL: https://landtechnik-historisch.de/historische-landmaschinen-von-a-bis-z/r/richter-franz/ (09.01.2023)

Bildnachweis:
Fotos Niederlassung Breslau, Dampfmaschine, Franz Richter mit seinen Söhnen und Mitarbeitern (um 1900) – matec GmbH (Hg.): 1861 bis 2011 - 150 Jahre Industriestandort Döbeln. Döbeln 2011
Porträt Franz Richter, Hans Richter mit Tochter – Stadtarchiv Döbeln
Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.